Clemens Gleich
Kameraden dachte, schätzte er sich sehr glücklich. Statt eines ruhigen Tages mit Papierkram, den Bereitschaftsdienst üblicherweise so mit sich brachte, sah sich Yens heute jedoch einer nicht abreißenden Sukzession besorgter Bürger gegenüber. Sie wollten wissen, ob es stimmte, das Pikmo aus Liebe Amok lief und wie man sowas denn verhindern könne. Yens' Antwort war dieselbe, die sie sich an allen Info-Terminals des Ministeriums hätten holen können: Pikmo liebt höchstens die programmierte Besitzerin. Dann wollten sie immer implizit wissen, ob sie schonmal präventiv in Panik verfallen sollten wegen des drohenden Krieges. Der stand doch in der Zeitung. Antwort: Dem Imperium sind derzeit keine konkreten Gefahren bekannt, es ist aber nie verkehrt, auf der Hut zu sein. Van Erster war zerknirscht, wenn er diese Antwort gab, aber sie war als offizieller Wortlaut so vom Ministerium vorgeschrieben. Der Wächter hielt es für falsch, solcherart unentschieden die Verdachtsmomente der Leute zu bestätigen. Er hätte gesagt: "Nein! Und jetzt geh' heim." Die Schäfchen brauchten klare Ansagen.
Als ein gewisser Herr Huntgeburth hereinkam und an der Wach-Theke stand, verfluchte van Erster diesen Tag – nicht zum ersten Mal heute, aber sicherlich am kräftigsten. Salvin hoffte offenbar, hier an Informationen zu kommen, was Yens für die bodenloseste Frechheit seit mindestens zwei Vollmondmorgen hielt. Noch bevor der unerwünschte Gast jedoch seinen Mund für sein Sprüchlein öffnen konnte, kam Yens ihm zuvor:
"Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information, stimmt's?"
"Äh... ja...", antwortete Salvin. Der Typ hatte ihm doch voll seinen Einstieg vermasselt. Er raffte sich: "Sie wissen, weshalb ich hier bin. Ich verstehe gar nicht, wieso Sie sich derart gegen die Herausgabe der Daten sträuben. Wenn es stimmt, was uns so erzählt wird, dürften Sie doch von der Offenlegung der Bestelldaten nichts zu befürchten haben."
"Wir geben keine vertraulichen Daten heraus", knurrte der Wächter, ließ einen abschätzigen Blick am Reporter herunterrinnen und fuhr dann fort: "Vor allem nicht an Schmierfritzen. Wenn's das dann war, andere Bürger wollen mich auch noch mit komischen Verschwörungstheorien nerven, die, möchte ich anmerken, alle von euch kommen."
"Lassen Sie uns doch zusammenarbeiten!", flehte Salvin, "Wir könnten die Öffentlichkeit umfassend informieren, sodass hier niemand mehr Schlange stehen muss!"
"Das sind nicht meine Entscheidungen. Sie müssen das direkt in die Ohren des Ministeriums flüstern und auf eine Sondererlaubnis hoffen. Guten Tag! Der Nächste!"
"Es soll doch Ihr Schaden nicht sein! Ich könnte mir durchaus einmal eine interessante Artikelserie über die Familie van Erster vorstellen. Sowas bringt neue Kontakte! Es kann ganz nach oben gehen mit Ihrem öffentlichen Ansehen!" Der schwelende Ärger van Ersters entflammte durch diesen Auswurf in ein blau brennendes Feuer.
"Ich werde in den Akten der Wache vermerken, dass das Tägliche Echo hier Wächter schmieren will", sagte er kühl, "Und wenn du nicht augenblicklich den Schuh machst, nehme ich das zum Anlass, dich für ein, zwei Tage den harten Jungs im äußeren Knast zu überlassen. Haben wir uns verstanden?" Salvin schnaubte etwas von "typisch" und "keine Kooperationsbereitschaft", dann verließ er die Wache, so schnell es sein rapide schwindender Stolz zuließ.
Der nächste Frager an der Theke wollte wieder etwas über die imperialen Verschwörungen wissen. Er hätte keinen ungünstigeren Zeitpunkt für seine Fragen wählen können. Er wurde abgelöst von einem Mann mit einem Plakat in der Hand. FAK. Helwer Armenbrod. Er hatte offensichtlich getrunken, was jedoch seine weinerliche Stimme in keinster Weise verbesserte. Er nuschelte nur mehr. Yens vergrub seinen Kopf in seinen Armen. Helwer fühlte sich angespornt. Er schrie heraus, dass jetzt Schluss war mit der Unterdrückung, dass die Massen jetzt aufstanden, dass die Wache nur vertuschte und Jagd auf Pikmo machten, aus dem alleinigen Grund, dass dieser einen freien Willen hatte. Wenigstens sorgte er dafür, dass Yens und seine Kollegen ihre über einen schlechten Tag akkumulierten Stresshormone durch Bewegung abbauen konnten. Sie gaben sich zweimal Mühe, ihn ohne schmerzhafte Gewalt hinauszuwerfen. Bei seiner dritten Wiederkehr warfen sie ihn mitsamt Plakat in eine Ausnüchterungszelle.
Anderswo in Romala entfernte die Haushälterin eines noblen Kether-Hauses alle Waffen aus der
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