Cleo
manchmal die Achselbehaarung eines Menschen, Andenken aus der Urzeit. Ein Streifen längeren Fells zierte ihre Brust wie ein Mini-Irokesenschnitt. Der Bewuchs an ihrem Bauch war dicker und länger, aber immer noch weich. Auf der Innenseite der Beine war das Fell seidig, außen an den Schenkeln ganz glatt.
Als ich ihre langen Kängurubeine streichelte, schnurrte sie lauter. Die vinylglatten Ballen an ihren Füßen glänzten schwarz in der Sonne. Sie waren umrahmt von kurz geschorenen Haaren, unter denen sich die eingezogenen krummsäbelgleichen Krallen verbargen.
Zu jeder vernünftigen Streicheleinheit gehörte es unabdingbar dazu, sich auch Cleos ganzem Stolz zu widmen, ihremölig-glatten Schwanz. Er hatte sich zu einem eleganten Accessoire entwickelt. Er sah nicht nur aus wie eine Schlange, sondern war auch fast so beweglich und hatte fast ebenso viel Charakter wie Cleo. Wenn sie morgens aufwachte, lag er neben ihr, und bevor sie nachts einschlief, wickelte er sich heimlich um sie. Jedes Mal, wenn sie über ihre Schulter sah, war er da und huschte ihr wie ein Schatten hinterher.
Die meiste Zeit betrachtete Cleo ihren Schwanz als Spielkameraden. Sie konnten ganze Nachmittage damit verbringen, sich gegenseitig auf dem Teppich zu jagen, bis sie schwindlig zusammenbrachen. Manchmal war der Schwanz allerdings auch bösartig. Dann kam es vor, dass er zuckte, wenn Cleo auf dem Fensterbrett vor sich hin döste, um sie in ihrem Schlaf zu stören. Sie öffnete ein Auge, um das hinterhältige Anhängsel zu mustern. Der Schwanz wand sich ein wenig unter ihrem Blick, so dass man meinen konnte, er wolle eine Lektion erteilt bekommen. Cleo ging zum Angriff über, sie ließ sich vom Fensterbrett fallen, um mit sämtlichen Krallen nach dem Ding ausholen zu können, und hieb ihre Zähne hinein. Der Schwanz wand sich in ihrem Maul und wehrte sich nach Leibeskräften, wobei er der Angreiferin auf unerklärliche Weise heftige Schmerzen zufügte. Cleo und ihr Schwanz waren wie ein altes Ehepaar, das aus längst vergessenen Gründen beisammenbleibt und mehrmals täglich über irgendwelche vermeintlichen Beleidigungen in Streit gerät. Es dauerte lange, bis sie ihre Differenzen endgültig beilegten und friedlich miteinander auskamen.
Ich widerstand der Versuchung, Rosie anzurufen und damit anzugeben, dass unser »hässliches« Kätzchen sich in eine wahre Schönheit verwandelt hatte. Cleos neue Eleganz weckte zweierlei Hoffnungen in mir. Erstens, dass sie nichtmitbekam, wie umwerfend sie war und deshalb eitel wurde (mit zu den ermüdendsten Dingen gehörte es, mit eitlen Wesen zusammenzuleben, insbesondere wenn sie früher einmal die Schmach geringer Schönheit hatten erleiden müssen). Zweitens, dass die Theorie, wonach Hundebesitzer ihrem Hund im Laufe der Zeit immer ähnlicher werden, auch auf Katzenbesitzer und ihre Katze zutraf. Keines von beidem schien mir besonders wahrscheinlich. Cleo war zu verspielt und vom Leben fasziniert, als dass sie angefangen hätte, sich wie ein Filmstar zu benehmen. Und ich fing langsam an, einem fresssüchtigen Golden Retriever zu ähneln.
Cleo weckte eine noch nie da gewesene Zärtlichkeit in Rob. Er war immer der Kleine gewesen, derjenige, auf den alle aufgepasst hatten. Jetzt war er das erste Mal für ein Lebewesen verantwortlich, das schwächer als er selbst war, und er entwickelte eine sanfte, liebevolle Seite. Er wuchs an seiner Aufgabe, sich um seine niedliche Katze zu kümmern, sie zu füttern, ihr Fell zu kämmen und mit ihr zu schmusen (alles oft mit begeistertem Beistand von Jason). Voller Bewunderung beobachtete ich, wie er sich in der Schule einen neuen Platz eroberte und eine kleine Schar neuer Freunde den Weg zu uns fand.
Unsere Liebe zu Cleo wurde glühend erwidert. Willig hatten wir uns zu ihren Sklaven gemacht und mussten sie jetzt in alles mit einbeziehen. Wenn sie hörte, dass wir uns im Nebenzimmer unterhielten, miaute und kratzte sie so lange an der Tür, bis wir sie hereinließen. Manchmal reichte es ihr, das Geschehen von ihrem Aussichtspunkt auf der sonnenüberfluteten Sofalehne zu beobachten. Aber meistens machte sie es sich auf einem warmen Schoß gemütlich, die Pfoten brav unter den Bauch gezogen, und schnurrte beifällig.
Wenn jemand ein Buch las und dabei auch noch bequem auf dem Rücken lag, dann begriff Cleo das als eine Art Aufforderung, sich zwischen ihn und das Buch zu legen. Da sie zutiefst überzeugt war, dass eine Katze sehr viel faszinierender war als
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