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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Schulden. Warum?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Als Sie sagten, dass Frau Cleveringa vorzeitig die Besprechung verließ, dachte ich, es hätte vielleicht etwas über ihre Stimmung ausgesagt.«
    Das Faktotum schaute mich mit einem etwas vorwurfsvollen Blick an. »Clara war ein gutes Kind, ein nettes Mädchen, niemand brauchte in einer bestimmten Stimmung zu sein, um sich mit ihr anzufreunden.«
    »Der Altersunterschied zwischen den beiden war doch erheblich.«
    »Das hat nichts zu sagen.«
    Ich zeigte ihr das Foto aus Ypern. »Das ist doch Clara?«
    »O ja«, sagte sie erfreut, als sähe sie eine alte Bekannte wieder. »Wer ist denn die andere Frau?«
    »Eine belgische Freundin von ihr.« Ich schwieg einen Moment. »Es muss ein schwerer Schlag für Clara gewesen sein, als sie hörte, dass Frau Cleveringa verunglückt war.«
    »Ich weiß nicht.« In ihrer Stimme schwang ein abweisender Ton mit.
    »Sie meinen, weil Clara hier schon weg war?«
    »Nun …« Sie zögerte. »Mit der Freundschaft war es vorbei, noch bevor Clara kündigte.«
    Ich verbarg meine Überraschung. »Wie kam das denn?«
    »Das weiß ich nicht. Ich merkte es daran, dass Frau Cleveringa einmal ins Büro kam, ohne bei Clara vorbeizuschauen, obwohl sie sie sonst immer besuchte. Clara erzählte mir, sie hätten sich gestritten.«
    »Hat sie gesagt, worüber?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber wie dem auch sei, es ist eine tote Spur, nicht wahr?« Sie erschrak über ihre eigene Bemerkung und fügte hastig hinzu: »So meine ich es natürlich nicht, ich meine nur, dass Frau Cleveringa Ihnen nicht mehr helfen kann, Clara zu finden.«
    Ihr Telefon begann böse zu summen. Ich bedankte mich bei ihr und machte mich rasch auf den Weg.
    Die milde Form von Paranoia, die man nach einem halben Leben bei der Polizei und in speziellen Ermittlungseinheiten zurückbehält, lässt einen über die Schulter und in den Rückspiegel schauen und allerlei kindische Routinemaßnahmen erfinden.
    Eine davon ist, eine Büroklammer zwischen Tür und Türrahmen zu stecken, auf die Seite, wo sich die Scharniere befinden. Kein Mensch sieht sie, aber sie fällt lautlos und höchstwahrscheinlich unbemerkt herunter, wenn jemand mit Hilfe von Nachschlüsseln oder anderen fantastischen Instrumenten, mit denen Filmschauspieler ausgerüstet werden, in die Wohnung eindringt. Wenn Brecheisen verwendet wurden, sieht man es auch ohne die Büroklammer. Für gewöhnlich merkt man es sogar schon auf der Straße, an den Blaulichtern vorm Haus.
    Ich sah das stumpfe Glänzen der Büroklammer auf dem goldbraunen Teppichboden im Flur. Ich schaute die Treppe zur Dachwohnung hinauf und berechnete die Wahrscheinlichkeit, ob vielleicht Setsuko die Tür mit speziellen Zen-Strahlen geöffnet hatte und drinnen wartete, um einen müden Samurai mit einer japanischen Massage zu überraschen.
    Die Wahrscheinlichkeit war gleich null.
    Meine Beretta lag in einer Schublade auf der anderen Seite der Tür. Ich trage sie nur in Notfällen bei mir, weil sie unhandlich und schwer ist, obwohl es sich um ein kleines Modell handelt. Im Hosenbund ist sie immer im Weg, die Hosentaschen beulen beim Tragen aus und sogar in einem Schulterholster aus weichem Leder ist sie, vor allem, wenn der Besitzer sommerliche Kleidung trägt, ungefähr so unauffällig wie ein Maikäfer in einem Glas Wodka, es sei denn, man ist sinnlos betrunken.
    Ich steckte meinen Schlüssel ins Schloss und blieb seitlich vom Eingang im Flur stehen, während ich die Tür aufdrückte. Nichts geschah. Niemand ergriff die Flucht über den Balkon, niemand schoss, niemand räusperte sich oder spielte Geige in der Hoffnung, ich würde ihn für Setsuko halten.
    Ich ging hinein. Es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Niemand hatte die Sammlung der von Marga fabrizierten Kräutertöpfe in der Kochnische durchsucht. Alle Ordner standen an ihrem Platz in meinem Büro. Es herrschte kein anderes als das normale Chaos, der Computer war kalt und die Beretta lag unberührt in ihrer Schublade.
    Die Büroklammer musste von selbst herausgefallen sein. Vielleicht hatte es ein Erdbeben gegeben, wie sie offenbar auch in den Niederlanden vorkommen, bis zu einer Stärke von anderthalb bis zwei auf der Richterskala.
    Mir wurde klar, dass ich das Erdbeben vergessen konnte, als ich auf den Knopf meines Anrufbeantworters drückte. Er war leer. Jemand hatte das Band abgehört und gelöscht. Es erschien mir recht unwahrscheinlich, dass nach zwei Tagen Abwesenheit und wiederholten

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