Cleopatra
hinaufstieg.
»Das geht nicht mit den Handschellen.«
Ich versetzte ihm einen Stoß und leuchtete ihm. Er gehorchte und erkletterte die Leiter ohne große Probleme. Ich folgte ihm, als er rittlings auf der Mauer saß. Joop und Gerrit erwarteten ihn auf der anderen Seite.
»Du wirst jetzt zwei Tabletten schlucken«, sagte ich, als ich neben dem Mann stand.
»Was ist das?«
»Wenn ich dich umbringen wollte, hätte ich dich schon längst erschossen. Mund auf.«
»Ich kann ohne Wasser keine Tabletten schlucken.«
»Mir reicht’s jetzt mit deinen Ausreden. Mund auf!«
Er öffnete den Mund und ich warf die Pillen hinein. Ich leuchtete im ins Gesicht, um zu kontrollieren, ob er sie auch hinunterschluckte.
Ich schloss die Handschellen auf.
»Dreh dich um.«
Er gehorchte.
Als er mit dem Gesicht zum Weg stand, fesselte ich ihm die Hände wieder auf dem Rücken. Danach zog ich mir rasch die Sturmhaube aus und stülpte sie ihm verkehrt herum über den Kopf, so dass er nichts sehen konnte. Der Mann fluchte.
»Halt’s Maul«, sagte Joop.
Wir bugsierten ihn neben Betty auf die Ladefläche. Ich schloss die Tür. Joop zog sich die Sturmhaube vom Kopf und schnaufte in die kühle Nachtluft. Gerrit folgte seinem Beispiel.
»Schafft ihr das?«
»Ich setze mich hinten rein«, sagte Joop. »Gib mir mal die Pistole.«
»So war das aber nicht abgesprochen.«
»Der Mann war auch nicht abgesprochen.«
Ich seufzte. »Kannst du damit umgehen?«
Joop gab keine Antwort und ich reichte ihm die Pistole. Er öffnete die Tür und stieg nach hinten in den Lieferwagen.
Ich gab Gerrit die Reisetasche. Er wollte schon losfahren, aber ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Der Mann schläft gleich ein. Sie bleiben mindestens sechs Stunden bewusstlos. Ich möchte nicht, dass sie wissen, wie lange sie gefahren sind und wo sie sich befinden. Gib ihr keine Kleidung, nur das Laken, und nimm ihr die Stricke ab.«
»Vielleicht wird ihr kalt.«
»Dann wirf ihr eine Decke über. Ich will sie so weit wie möglich aus dem Gleichgewicht bringen. Sie sehen mir nicht aus wie Schreihälse, aber ich hoffe trotzdem, dass euer Versteck so schalldicht ist, wie ihr behauptet.«
»Man könnte noch nicht mal eine Sirene hören.«
»Wenn wir hier fertig sind, schiebe ich die Leitern da zwischen die Sträucher.«
»Ich hole sie ab, bevor es hell wird.«
Ich nickte und kletterte zurück über die Mauer.
Das Kutschenhaus schien in erster Linie nach praktischen Gesichtspunkten eingerichtet zu sein. Alle notwendigen Gebrauchsgegenstände waren vorhanden, aber dabei hatten es die Bewohner auch bewenden lassen. Einige Reproduktionen an der Wand waren wohl weniger aus ästhetischen Gründen aufgehängt worden als aus dem Gefühl heraus, dass irgendetwas an die Wand gehörte. Nur das Haus selbst verbreitete eine gewisse Atmosphäre, weil es nun einmal ein altes, umgebautes Kutschenhaus war, mit schweren Balken unter der Decke, einer schönen Holztreppe und anderen soliden Erzeugnissen der Zimmermannskunst. Ich fand Nel an einem Computer im ersten Stock in einem kleinen Zimmer gegenüber dem Schlafzimmer. Wie ich trug sie Handschuhe. Unser Plan sah vor, dass wir keinerlei Spuren zurückließen.
»Wenn wir Betty eine Chance geben wollen, müssen wir das Bett machen und die Alarmanlage am Tor ausschalten. Glaubst du, dass du sie finden kannst?«
»Ich kann alles finden, aber dieses Ding hier bringt uns überhaupt nichts.«
Der Raum wurde offensichtlich als Arbeitszimmer genutzt. Der Computer stand auf einem Schreibtisch aus grauem, mattem Metall und es gab ein paar Regale und Fächer mit Büchern und einigen Ordnern sowie einen Archivschrank aus Holz, in dem sich hauptsächlich Zeitschriften befanden. Ich ging die Ordner durch und fand sowohl für Tom als auch für Betty Waffenscheine sowie einen Arbeitsvertrag mit Cleveringa aus dem Jahr 1983, in dem ihre Aufgaben mit ›Fahrdienst und Sicherheitsaufgaben sowie allgemeine Assistenz‹ beschrieben wurden.
Es gab auch Zeugnisse aus derselben Zeit von Tom, der durch und durch überprüft worden war und den Segen der niederländischen Staatsschutzbehörde sowie der Polizei für seine Vertrauensstellung beim Minister hatte. Tom war Sergeant bei der Marine gewesen, bevor er 1980 über eine Einheit der Straßenpolizei bei der Spezialtruppe für die Bewachung ausländischer Würdenträger gelandet war. Seine Arbeitspapiere waren makellos. Das war zu erwarten. Das Schicksal eines Ministers legt man nicht in die
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