Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
auskennt. Jemand, der genau wusste, wie viele Kabel er durchtrennen musste. Jemand wie Ali.«
»Ali ist Ihr Monteur, sagten Sie?«
»Ja, ein lebenswichtiger Job. Diese fliegenden Kis-ten werden mit nicht viel mehr als Draht, Bindfäden und Leim zusammengehalten, und in der Luft werden sie solange durchgerüttelt, bis sie ihre Form verlieren. Sobald wir landen, kommt der Monteur mit seinen Schraubenschlüsseln und seiner Wasserwaage, und er bastelt alles wieder zusammen, damit die Maschine erneut aufsteigen kann. Es ist ein Job, bei dem man großes Geschick braucht. Ahmed hat derzeit die Aufgaben seines Bruders übernommen.«
»Wer hätte so viel Macht über Ali, um ihn zu bewegen, das Flugzeug zu sabotieren? Und wer hätte gleichzeitig dafür sorgen können, dass er von der Bildfläche verschwindet und nicht davon erzählen kann?«
Stuart spreizte die Hände in einer hoffnungslosen Geste. »Dutzende von Leuten. Das Druckmittel könnte Geld sein oder eine Gefälligkeit, die er schuldete oder die man ihm versprochen hat. Die hiesige Gesellschaft ist sehr« - Stuart zögerte einen Augenblick -, »feudalherrschaftlich. Die Familie, der Stamm - alles funktioniert in strenger Hierarchie, mit dem Maharadscha ganz oben. Jeder schuldet allen, die in der Hackordnung über ihm stehen, Untertanenpflicht. Und Ali stand ziemlich weit unten auf der Leiter, und wie ich schon sagte, es muss Dutzende von Kerlen geben, die ihn am Gängelband führen können. Und die Frauen sind da noch gar nicht mitgezählt! Ihre Erste Hoheit hätte sicherlich nichts dagegen gehabt, wenn sie miterlebt hätte, wie Prithvi zu Boden geht.«
»Das bringt uns nun zu der Frage, wer genau das beabsichtigte Opfer war. Aus Ihrer letzten Bemerkung schließe ich, dass Sie annehmen, es habe das richtige Opfer erwischt?«
»Ich habe viel darüber nachgedacht, und letzten Endes frage ich mich wirklich, warum mich irgendjemand umbringen sollte. Madeleine vielleicht - man kann sie hier nicht ausstehen -, aber mich? Ich bin nur ein fliegender Chauffeur. Nicht wichtig. Prithvi dagegen - so kurz nach Bishan und im Zusammenhang mit der lebensbedrohlichen Erkrankung des Herrschers -, man könnte sagen, da liegt ein Muster zugrunde, das selbst einem Dr. Watson auffallen würde, oder nicht?«
»Erzählen Sie mir, wie es dazu kam, dass Prithvi am Steuerknüppel saß. Wie kam der Tausch zustande?«
»Wir hatten vor ein paar Tagen den Empfangsflug geplant, gleich nachdem Claude uns von Ihrem Kommen in Kenntnis gesetzt hatte. Jeder wusste davon. Ich war schon versucht, Eintrittskarten zu verkaufen! Sie fragen sich vielleicht, womit Sie eine solche Begrüßung verdient haben?« Er lächelte trocken.
»Mir kam schon der Gedanke, dass Edgar und ich nicht gerade in derselben Liga spielen wie der Prince of Wales!«
»Langeweile! Hier draußen gleicht ein Tag dem anderen. Heiß, unangenehm, vorhersehbar. Man würde alles tun, um die Routine aufzubrechen, und wenn eine halbwegs anständige Entschuldigung auftaucht, abzuheben und ein paar Runden zu drehen, dann ergreift man sie.«
»Freut mich, dass ich behilflich sein konnte«, sagte Joe trocken.
»Es war eine Abwechslung, eine Ablenkung, eine Übung. Wir haben gemeinsam an der Nummer gearbeitet, aber es sollte mein Flug sein. Stellen Sie sich also meine Überraschung vor, als ich mein Quartier verlasse, zum Hangar gehe und plötzlich sehe, wie die Jenny abhebt. Gute fünf Minuten früher als geplant. Ich rannte daraufhin zum Hangar, krallte mir Ahmed und fragte ihn, was zum Teufel hier vor sich ginge. Tja, Sie können ihn selbst ausfragen, wenn Sie wollen ... Er sagte, Prithvi sei in voller Montur für einen Flug aufgekreuzt und habe ihm erklärt, er hätte beschlossen, die Jenny selbst zu fliegen. Man widerspricht einem Thronerben nicht, also warf Ahmed den Propeller an und ließ ihn seines Weges ziehen . mit einem unerwünschten Passagier an Bord.«
Stuart verstummte, kämpfte einen Schauder nieder. Sein Entsetzen war auch für Joe fühlbar, der sich an eine Karikatur erinnerte, die an der Front von Hand zu Hand gegangen war: ein junger Pilot, den Kiefer in den Luftstrom gereckt, tapfer voranfliegend, nichts ahnend von der grau gekleideten Gestalt, die er auf dem Passagiersitz mit sich führte.
»Der Tod«, sagte Joe.
Stuart antwortete nicht. Joe vermutete, dass er die entscheidenden fünf Minuten erneut durchlebte, die ihn von einem vorzeitigen und unerklärlichen Tod getrennt hatten.
»Und dieser Ali hatte vor dem
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