Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
den Mund voll zu stopfen, als hätte sie vergessen, dass sie nicht allein im Raum war.
Draußen im Treppenhaus gab es einen Knall und kurz darauf hysterisches Gekreisch. Dann noch ein Knall, ein Scheppern, eine tiefe Männerstimme, die von jüngeren Stimmen übertönt wurde. Chong latschte zur Tür und knallte sie zu. Alle, die sich noch im Raum befanden, zuckten zusammen.
Professor Morales bot einen beklagenswerten Anblick, er starrte mit leerem Blick auf die hintere Wand.
„Danke für die Hilfe“, sagte er mechanisch. „Kann mir jemand erklären, was hier gerade passiert ist?“ - dabei sah er zufällig Milli an.
„Ähm – na ja“, Milli räusperte sich. „Vermutlich Sonneneruptionen. Die können nicht nur Menschen, sondern auch die Bahn von Satelliten beeinflussen. Ich glaube, solche Eruptionen wurden schon länger vorausgesagt.“
Professor Morales starrte Milli bestürzt an. Dann hatte er es plötzlich sehr eilig. Er schaufelte alles, was rum lag, in seine Tasche und stürmte Hals über Kopf hinaus. Er konnte einem Leid tun. Eine Weile sprach niemand. Aus der anderen Ecke des Zimmers war ein Schmatzen und das leise Rascheln der Gummibärchentüte von Maria Frost zu hören.
Chong sah Milli an. „Eruptionen, Satelliten … war das jetzt echt?“
„Irgendwas musste ich doch sagen, ihr habt ihn doch gesehen, der arme Kerl.“
„Du hast dir das nur ausgedacht!“, sagte Anna fassungslos.
„Nur ein bisschen improvisiert“, entschuldigte sich Milli. „Man kann Kopfschmerzen und Depressionen von Sonneneruptionen kriegen, weil sie die irdische Magnetosphäre durcheinander bringen. Das kann auch Radiosender und Satelliten stören oder die Stromversorgung.“
Chong schien inzwischen anderweitig beschäftigt. „Habt ihr gesehen, wie Morales ein Papiertaschentuch mit Bennis Kotze in seine Aktentasche geworfen hat!“
Anna warf ihm einen strafenden Blick zu.
„ Wollen wir ins Café gehen“, schlug sie vor. „Meine Mutter hat bestimmt Kuchen -“, sie brach ab und schaute schuldbewusst zu Ben, „und du kriegst Tee und Salzstangen.“
„Ich geh dann mal“, hörten sie eine fipsige Stimme quer durch den Raum.
Alle drehten sich um – an Maria Frost hatte niemand mehr gedacht.
„Mir ist schlecht, ich glaube ich muss mal aufs Klo“, fiepte sie und gab einen langen Seufzer von sich.
„Weißt du denn, wo das ist?“, fragte Anna höflich.
Sie nickte schwach mit dem Kopf.
„Oder … willst du mit ins Café kommen? Ins Café Siebenrock?“
Maria Frost hielt einen Augenblick inne und sah einen nach dem anderen an. „Ich wohne in Schwalbenwalde und mein Bus kommt gleich … ein anderes Mal vielleicht.“ Sie nahm ihre Sachen und verließ den Raum mit schweren Schritten.
„Die Arme - wie gebeugt sie geht. Ihr erster Tag war sicherlich gewaltig anstrengend“, sagte Anna traurig.
„Bei so viel Gummibärchen wundert mich das nicht“, kicherte Chong. Er ging zu seinem Tisch und packte seine Sachen ein. „Gehen wir!“
Kung Fu
Auf dem Schulhof schlug ihnen das blanke Chaos entgegen. Vor dem Eingang stand immer noch die Reihe von Polizisten, aber diesmal in voller Montur – Plexiglasschirme, Helme, Stiefel, Handschuhe und Schlagstöcke. Man konnte die Schule zwar verlassen, kam aber nicht wieder rein. Auf der Hauptstraße staute sich der Verkehr. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun. Ein paar Autofahrer und der Schulbus übten sich in Dauerhupen. Demonstranten rannten zwischen den Autos hin und her und schwenkten Schilder und Transparente. Manche benutzten sie als Rammbock oder Keule. Die Vermummten provozierten die Polizisten. Sie waren zwar nicht wirklich gefährlich, sorgten sie für große Aufregung und Gegenattacken. Aber auch andere Leute benahmen sich großsprecherisch oder sangen Parolen. Alles geriet völlig außer Kontrolle.
Milli schlug sich mit ihren neuen Freunden bis zur Bushaltestelle durch. Die Fahrräder schränkten ihre Bewegungsfreiheit ein. Sie hätten besser den Sandweg hinter der Schule nehmen sollen, aber dafür war es jetzt zu spät. Sie flüchteten auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo der schmale, lang gezogene Stadtpark seinen Anfang nahm. Unter einer alten Eiche stand ein silberner Lieferwagen, den peilten sie an, weil sich dort kaum Menschen aufhielten.
Anna regte sich über den herumliegenden Müll und die verstreuten Bierflaschen auf. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment vor Entrüstung platzen. Bens Mund stand offen, er atmete hektisch und
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