Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
standen sie und Milli auf.
„Wo wollt ihr hin?“, fragte Ben überrascht. „Es gibt noch was zu besprechen … außerdem habt ihr eure Erlebnisse noch nicht erzählt ...“
„Nächste Pause“, sagte Milli, „du hast wohl das Klingeln nicht gehört?“
Die Englischstunde verging angenehm eintönig und ruhig. Frau Ellis war groß, dürr und temperamentlos. Den Kampf um etwas Charme hatte sie längst verloren, geblieben war ihr aber die Leidenschaft für schicke Kostüme. Darin zeigte sie Geschmack. Heute steckte sie in einem leichten Strickkostüm in Frühlingsfarben und einer hellgrünen Bluse. Milli beobachtete mit Faszination, wie sie mit der Hand über den Stoff fuhr und ihr Spiegelbild im Fenster betrachtete. Das neue Kostüm beschäftigte sie jedenfalls mehr als der Unterricht.
Bevor die Stunde zu Ende ging, ersann Milli vorsorglich einen Plan, wie sie Philip in der Pause wieder loswerden konnte. Aber es kam gar nicht dazu, weil Philip sich mit Lucretia unterhielt. Milli guckte absichtlich nicht hin, weil sie spürte, dass Lucretia nur darauf wartete.
Ben, der seine Augen und Ohren überall hatte und dem nichts verborgen blieb, grinste. „Sie versucht, dich zu provozieren“, sagte er mit einiger Genugtuung bezüglich seiner Observationskünste. „Noch hat sie aber nicht rausgefunden, ob du ernsthaftes Interesse an ihm hast.“
Milli zuckte mit den Achseln. „Dann soll sie sich mal schön anstrengen.“
„Das wiederum hängt von dir ab.“ Ben verzog nachdenklich eine Augenbraue. „Sobald sie rauskriegt, dass du nicht interessiert bist, wird sie ihn fallenlassen. Du musst also so tun, als hättest du Interesse … dann ist sie erst einmal beschäftigt, und du hast ihn vom Hals.“
„Du bist ein Aas. Woher weißt du solche Dinge?“
„Die Demoralisation eines Vorgeschädigten“, antwortete er hinter vorgehaltener Hand. „Zwei blasierte Schwestern und ein großer Bruder.“
Milli riskierte einen vorsichten Blick auf Philip und Lucretia. Sofort warf sich Lucretia in Position. Sie strich mit der Hand durch ihr Haar und schenkte Philip ein atemberaubendes Lächeln. Das war der Hammer! Milli wusste ja noch nicht einmal, ob sie Philip interessant fand. Vielleicht hatte sie nach dem 1. Mai mal Lust, mit ihm was zu machen, aber deshalb mit Lucretia in Konkurrenz zu treten, war zuviel verlangt.
In der Kantine trafen sie sich wieder am selben Tisch. Chong kam als letztes. Mit feierlichem Ernst packte er eine große Frühlingsrolle aus und aß sie langsam und schmatzend.
Milli und Anna erzählten abwechselnd ihre Geschichte.
„Ich könnte mir vorstellen, dass Grabbauer und auch Ziggedorn viel daran liegt, es zu vertuschen“, meinte Ben, „wäre ja eine Blamage für den Weltkonzern, dass man da so leicht einbrechen kann.“
„Aber die haben die Rechnung nicht mit der alten Frau Fischer gemacht - unsere nächtliche Zeugin am Tor!“, spottete Milli. „Sie müssen sich also dazu äußern.“
„Meine Mutter sitzt in der Presseabteilung, irgendwer wird etwas dazu verfassen“, sagte Ben gut gelaunt. „Das gibt zu Hause wieder Gesprächsstoff.“
Es machte flatsch. Die Füllung der Frühlingsrolle lag zerdätscht auf dem Tisch. Chong legte alles beiseite und leckte sich die Finger ab. „Eigentlich mag ich sie mit Mayonnaise und Ketchup“, sagte er, „aber meine Mutter hasst das.“
Anna griff in ihre Tasche und reichte ihm ein Papiertaschentuch.
„Danke“, sagte er und wischte sich Finger und Gesicht ab. „Wenn es euch interessiert“, sprach er weiter, „als ich letzte Nacht noch einmal zurückgefahren bin, um den Koffer zu holen, stand ein Polizeiwagen hinten am Toreingang … aber es war nur ein einziger.“
„Klar - die werden das nicht an die große Glocke hängen, aber wir haben ja, was wir brauchen“, sagte Anna, „und außerdem haben wir eine falsche Fährte gelegt.“ Sie kicherte. „Die militanten Tierschützerinnen … das ich nicht lache!“ Dann wurde sie ernst, „ob die wohl beim Tierschutzverein Untersuchungen anstellen?“
„Sicherlich. Aber wie wollen sie es beweisen?“, sagte Ben. „Ziggedorn wird den Menschenfreund und Gönner rauskehren und alles großherzig abtun, damit die Untersuchungen ganz schnell eingestellt werden.“
„Das denke ich auch“, sagte Milli und sah sehnsüchtig aus dem Fenster. Ihr Tisch stand plötzlich im Sonnenlicht, der Himmel hatte sich aufgeklart. Weil die Kantine immer voller wurde, beschlossen sie, draußen am
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