Clovis Dardentor
sind, über die Opfer der Seekrankheit zu spotten. Unter dem Vorwande, daß sie nicht davon leiden, wollen sie nicht zugestehen, daß man sie überhaupt bekommen könnte. Man sollte sie einfach an der Raa des Großsegels aufhängen!
Der »Argeles« befand sich auf der Höhe des Cap Agde, als auf dem Vordertheile ein Glockenschlag erklang. Es war fünf Uhr… die Stunde zum Essen.
Bisher hatte sich das Stampfen und Schlingern des Dampfers noch nicht besonders bemerkbar gemacht. Der, wenn auch etwas kurze, Wellenschlag erschien der größten Zahl der Passagiere recht erträglich. Der »Argeles« erhielt die Wellen von rückwärts und lief mit ihnen. Es war also zu hoffen, daß es dem Mittagsessen nicht an Theilnehmern fehlen werde. Die männlichen und sogar fünf bis sechs weibliche Passagiere stiegen die Doppeltreppe vom Oberdeck hinab und nahmen ihre an der Tafel für sie belegten Plätze ein.
Herr Eustache Oriental saß auf dem seinigen, sichtlich schon mit großer Ungeduld. Seit zwei Stunden war er hier schon angenagelt. Alles ließ jedoch hoffen, daß dieser Jäger auf gute Plätze nach dem Essen nach dem Deck hinauf gehen und nicht bis zum Eintreffen im Hafen an denselben Stuhl gefesselt bleiben werde.
Der Kapitän Bugarach und Doctor Bruno hielten sich hinten im Salon auf. Sie überhoben sich nie der Verpflichtung, die Honneurs an der Tafel zu machen. Clovis Dardentor und die Herren Désirandelle, Vater und Sohn, begaben sich nach dem obern Ende der Tafel. In dem Verlangen, diese verschiednen Typen von Perpignanefern zu studieren, nahmen Marcel Lornans und Jean Taconnat neben Herrn Dardentor Platz. Die Uebrigen – zusammen etwa zwanzig – setzten sich beliebig nieder, die einen in die Nachbarschaft Oriental’s ganz in der Nähe der Offiz, von der aus die Schüsseln unter Leitung des Restaurateurs ausgegeben wurden.
Herr Clovis Dardentor machte sofort Bekanntschaft mit dem Doctor, und bei zwei so redelustigen Leuten konnte die Unterhaltung in der Umgebung des Kapitän Bugarach nicht wohl ins Stocken kommen.
»Herr Doctor, begann Dardentor, ich fühle mich glücklich… sehr glücklich, Ihnen die Hand drücken zu können, und wäre sie mit Mikroben gespickt, wie die aller Ihrer Collegen…
– Keine Furcht, Herr Dardentor, antwortete der Doctor Bruno in demselben launigen Tone, ich habe mich eben mit Borwasser gewaschen.
– Pah, was scheeren mich die Mikroben und die Mikrobentödter! rief Herr Dardentor. Ich bin niemals krank gewesen, keinen Tag, keine Stunde, mein lieber Aesculap!… Keine fünf Minuten lang hab’ ich je auch nur einen Schnupfen gehabt… niemals eine Pille oder eine Tisane eingenommen!… Sie werden mir gestatten zu glauben, daß ich selbst auf Ihre Verordnung hin mich jedes Medicinierens enthalte. O, ich gehe sehr gerne mit Aerzten um!… Das sind ganz brave Herren, die nur den einen Fehler haben, den Leuten schon die Gesundheit zu verderben, wenn sie ihnen nur nach dem Puls fühlen oder ihre Zunge ansehen!… Im übrigen aber bin ich entzückt, mich an Ihre Seite setzen zu können, und wenn das Essen gut ist, werd’ ich ihm alle Ehre anthun!«
Der Doctor Bruno hielt sich noch nicht für geschlagen, obgleich er erkannt hatte, daß sein Nachbar ihn in der Geschwätzigkeit übertraf. Er gab seine Antworten, ohne die Aerzte gegen einen so wohl ausgerüsteten Gegner besonders in Schutz zu nehmen. Da überdies die Suppe aufgetragen war, dachte jeder nur noch daran, seinen durch die Seeluft erhöhten Appetit zu befriedigen.
Anfangs blieben die Schwankungen des Dampfers so schwach, daß sie die Tischgäste nicht belästigten, mit Ausnahme des Herrn Désirandelle, der wie eine Serviette weiß geworden war. Man fühlte nichts von dem Schaukeln, das die Horizontale compromittiert, noch von dem Heben und Senken, das die Verticalität stört. Aenderte sich dieser Sachverhalt während der Mahlzeit nicht, so konnten die verschiednen Gerichte ohne Schaden bis zum Dessert einander ablösen.
Plötzlich begann jedoch das Tafelgeschirr zu klappern. Die Hängelampen des Speisesalons wiegten sich über den Köpfen der Tischgäste hin und her. Ein Rollen und Stampfen verband sich, um eine allgemeine Verwirrung unter den Passagieren hervorzurufen, deren Sitze sich zuweilen beunruhigend neigten. Arme und Hände verloren die Sicherheit ihrer Bewegung. Gläser waren nur schwierig an den Mund zu setzen und die Gabeln stachen den Leuten meist in die Wangen oder ins Kinn.
Die meisten Tischgäste konnten
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