Clovis Dardentor
auf den er sehr stolz war und der Patrice’s Beifall fand.
Bei einem Rundgange um das 1601 vollendete Bauwerk konnte man dessen Aeußres, die beiden reich verzierten Thurmspitzen und die vielen ziemlich verwitterten Pinakeln bewundern, die sich auf jedem Strebepfeiler erhoben. Die Kathedrale kann im Ganzen getrost den Vergleich mit den schönsten andern der iberischen Halbinsel aushalten.
Die kleine Gesellschaft trat nun durch das Mittelportal an der Hauptfront ein.
Die Kirche ist – wie alle in Spanien – im Innern sehr düster. Weder im Mittel-noch in den Nebenschiffen fand sich ein Stuhl vor, nur vereinzelte hölzerne Bänke standen umher. Nichts als die kalten Steinplatten, worauf die Gläubigen niederknien, was den kirchlichen Ceremonien einen eigenartigen Charakter verleiht.
Clovis Dardentor und die beiden jungen Leute durchschritten das Schiff zwischen der Doppelreihe von Säulen, deren prismatische Gräten nach dem Anfang der Deckenwölbung übergriffen. An dessen Ende blieben sie vor der königlichen Kapelle stehen, bewunderten ein prächtiges Altarblatt und erstiegen das Chor, das hier, abweichend vom Gebrauch, in der Mitte des Gebäudes angebracht ist.
Leider fehlte es ihnen an Zeit, die reichen Schätze der Kathedrale eingehender zu besichtigen, wie deren künstlerische Wunderdinge und die in Majorca gläubig verehrten heiligen Reliquien, vorzüglich das Skelett des Königs Don Jayme von Arragonien, das seit drei Jahrhunderten in seinem schwarzen Marmorsarkophage ruht.
Bei ihrer kurzen Anwesenheit hatten die Besucher kaum Zeit, ein stilles Gebet zu verrichten. Wenn Jean Taconnat aber für Clovis Dardentor gebetet hätte, wäre es jedenfalls nur unter der Bedingung geschehen, für diese Welt, in Erwartung der andern, der einzige Urheber seines Heils zu sein.
»Wohin gehen wir nun? fragte Marcel Lornans.
– Nach dem Ayuntamiento, antwortete der Führer.
– Durch welche Straße?
– Durch die Calle de Palacio«
Die Gesellschaft stieg hierauf die genannte Straße hinauf, die eine Länge von etwa dreihundert Metern – oder sechzehnhundert Palmos hat, um nach majorcanischem Maße zu rechnen. Die Straße mündet auf einen kleinern und weniger unregelmäßigen Platz als die Plaza Isabellas II. aus. Uebrigens findet man auf den Balearen überhaupt keine Städte, wo Winkelmaß und Richtschnur wie in den amerikanischen Städten regelmäßige Schachbrettfelder ausgeschnitten hätten.
Ob sich’s wohl der Mühe lohnte, den Ayuntamiento, auch die Casa Consistorial genannt, zu besuchen? Gewiß; und kein Fremder würde in Palma verweilen, ohne ein Bauwerk bewundern zu wollen, das sein Urheber mit einer so hervorragenden Façade zu schmücken verstand. Diese zeigt nämlich zwei Thüren zwischen je zwei Fenstern, durch die man nach dem Innern, nach der Tribüne, der reizvollen, in der Mitte angebrachten »Loggia« gelangt. Das erste Stockwerk zeigt sieben, nach einem Balcon zu gelegne Fenster. Der Balcon selbst zieht sich längs des ganzen Gebäudes hin. Das zweite Stockwerk ist durch eine Art vorspringendes Sennhüttendach geschützt und hat mit Rosetten geschmückte Steinwürfel, von denen jeder eine Karyatide trägt. Die Casa Consistorial wird übrigens für ein Meisterwerk italienischer Renaissance gehalten.
In der »Sala« mit den Bildern der einheimischen Notabilitäten – ohne eines vorzüglichen Heiligen Sebastians von Van Dyck zu erwähnen – hat die Regierung des Archipels ihren Sitz. Hier schreiten ernsten Gesichts und gemessnen Ganges die Stabträger in langen Talaren auf und ab. Hier werden die Beschlüsse gefaßt, die der Stadt durch die stolzen Tamboreros des Ayuntamientos kundgemacht werden, also durch öffentliche Ausrufer in überlieferter Tracht, deren Nähte mit rothen Passementen verziert sind, während sich ihr Vorgesetzter der Tamborero mayor. durch entsprechende goldne Verzierungen auszeichnet.
Clovis Dardentor hätte gern einige Douros geopfert. um diese Persönlichkeit, von der der Führer mit echt balearischer Eitelkeit sprach, in vollem Glanze bewundern zu können; genannte Persönlichkeit blieb aber unsichtbar.
Schon war von den sechs Stunden Aufenthalts die erste verstrichen. Sollte das Schloß von Bellver noch aufgesucht werden, so galt es zu eilen.
Durch ein Gewirr von Gassen und Durchgängen, worin sich Dädalus selbst mit dem Faden der Ariadne nicht zurechtgefunden hätte, brachte der Führer die Touristen von dem Cortplatze nach dem Mercadoplatze, und
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