Clovis Dardentor
mit der Haarseite nach außen. Die sehr hübschen Frauen mit warmem Teint, tiefen schwarzen Augen und ausdrucksvollen Gesichtszügen erschienen in hellfarbigen Röcken mit kurzer Schürze und ausgeschnittnem Leibchen und mit entblößten Armen, während einzelne junge schlanke Mädchen auf dem Kopfe den »Rebosillo« trugen, der trotz seines nonnenhaften Zuschnitts doch den Reiz des Gesichts und die Lebhaftigkeit des Blicks nicht beeinträchtigt.
Jetzt war aber keine Zeit, Artigkeiten und Grüße auszutauschen, obwohl die Sprache der jungen Majorcanerinnen recht sanft, frisch und melodisch ist. Unsre Touristen eilten vielmehr an der Mauer des in der Nähe der Kathedrale errichteten Palacio Real hin, der von einer gewissen Seite, z. B. von der Bucht her, gesehen, mit dieser zu verschmelzen scheint.
Das Gebäude bildet eine sehr weitläufige Residenz mit viereckigen Thürmen und einem weiten, auf Wandpfeilern ruhenden Portal mit einem Engel aus der gothischen Epoche darüber, obgleich es in seiner übrigen hybridischen Ausführung jene Mischung von romanischem und maurischem Stil aufweist, der in der balearischen Baukunst so allgemein hervortritt. Einige hundert Schritte weiterhin erreichten die Ausflügler einen ziemlich geräumigen Platz von unregelmäßiger Grundform, auf den mehrere nach der Stadt hinausführende Straßen einmünden.
»Welcher Platz ist das? erkundigte sich Marcel Lornans.
– Der Platz Isabellas II., antwortete der Führer.
– Und jene breite Straße mit den schönen Häusern?
– Der Paseo del Borne.«
Es war das eine Straße von malerischem Aussehen infolge der verschiednen Façaden der Gebäude mit grün umrankten Fenstern, und der vielfarbigen Marquisen zum Schutz der vorspringenden Balcone, der Miradors mit bunten Scheiben, und da und dort verstreuten Bäume. Dieser Paseo del Borne führt nach dem länglichrunden Constitucion-Platze, an dem sich das Gebäude der Hacienda publica befindet.
»Gehen wir den Paseo del Borne hinauf? fragte Clovis Dardentor.
– Nein, doch auf dem Rückwege hinunter, antwortete der Führer. Jetzt begeben wir uns besser nach der Kathedrale, die von hier nicht weit entfernt ist.
– Also nach der Kathedrale, entschied der Perpignaneser, und ich hätte heute nicht übel Lust, einen ihrer Thürme zu ersteigen, um einen Gesammtüberblick zu gewinnen.
– Da würde ich Ihnen, entgegnete der Führer, lieber anrathen, das Schloß von Bellver zu besuchen, das außerhalb der Stadt gelegen die ganze Umgebung überragt.
– Werden wir dazu Zeit genug haben? bemerkte Marcel Lornans.
Eine Art braunes Mäntelchen gab ihm ein recht gutes Aussehen. (S. 83.)
Der »Argeles« fährt um acht Uhr ab…«
Jean Taconnat hegte eine unbestimmte Hoffnung. Vielleicht bot eine Fahrt über Land die Gelegenheit, auf die er in den Straßen der Stadt vergeblich wartete.
Clovis Dardentor konnte hier einige Einkäufe machen (S. 93.)
»O, Sie haben übrig Zeit dazu, meine Herren, versicherte der Führer. Das Schloß von Bellver ist nicht weit und kein Reisender würde es sich verzeihen, aus Palma fortzugehen, ohne es besucht zu haben….
– Wie gelangen wir aber dorthin?…
– Mittels Wagen vom Jesusthore aus.
– Nun gut; zunächst also nach der Kathedrale,« sagte Marcel Lornans.
Der Führer schwenkte nach links ab und durch eine enge Straße, die Calle de la Seo, nach dem gleichnamigen Platze, auf dem sich die Kathedrale erhebt, die mit ihrer nördlichen Façade die Umfassungsmauer über der Calle de Mirador mächtig überragt.
Der Führer geleitete die Touristen zuerst nach dem »Portal des Meeres«.
Dieses Portal stammt aus der herrlichen Epoche, wo die gefällige Anordnung der Fenster und der Einsatzrosen schon auf die herannahenden Phantasien der Renaissance hindeutet. Statuen beleben die Seitennischen und das Giebelfeld zeigt zwischen Steinguirlanden sein gezeichnete biblische Scenen von köstlicher, naiver Composition.
Befindet man sich vor diesem Portale des Bauwerks, so glaubt man zuerst hindurch-und in dasselbe eintreten zu können. Clovis Dardentor wollte auch schon den einen Flügel öffnen, als der Führer ihn zurückhielt.
»Das Portal ist zugemauert, sagte er.
– Warum denn das?…
– Weil der Seewind hier oft mit solcher Gewalt eindrang, daß die Gläubigen sich schon unter dem Sturmeswüthen des Jüngsten Gerichtes im Thale Josaphat glauben konnten.«
Das war ein Satz, den er unabgeändert vor jedem Fremden wiederholte, ein Satz,
Weitere Kostenlose Bücher