Clovis Dardentor
müßte sie dabei in einen Fluß, einen See, einen Teich, wenigstens in einen Wassertrog fallen… sonst gält’ es ja nicht!
– Was… es würde nicht gelten?… O, sie ist stark, unsre Galera!… rief Herr Dardentor, die Augen weit aufreißend.
– Ich wollte damit sagen, fuhr Jean Taconnat fort, daß der Text des Civilgesetzbuchs es ausdrücklich verlangt.. Nur wenn… Nun, ich weiß ja schon…«
Marcel Lornans mußte über die verlegnen Winkelzüge seines um eine Adoptivvaterschaft werbenden Vetters laut auflachen.
»Das sollte nicht gelten!… Das sollte sonst nicht gelten! wiederholte der Perpignaneser. Wahrlich, das ist eine der besten Einreden, die ich je gehört habe!… Doch trotz alledem… vorwärts!«
Niemals mochte er so höckrige Olivenbäume gesehen haben. (S. 98)
Jean Taconnat stieg nun ein und setzte sich neben seinen Vetter auf die zweite Bank. Clovis Dardentor nahm auf der ersten, neben dem Kutscher Platz und der Führer stellte sich auf den Tritt hinter dem Wagen.
Die Maulthiere bäumen sich auf. (S. 103.)
Schnell ging es nun durch das Jesusthor und gleich vor diesem erblickten die Touristen schon das massige Schloß Bellver, das aus üppigem Grün hervorragte.
Als die Galera durch die Stadtmauer rollte, gelangte sie nicht sofort ins offne Land. Erst führte der Weg noch durch Terreno, eine Art Vorort der balearischen Hauptstadt hin. Dieser Vorort wird mit Recht als ein Heilbadeort in nächster Nähe von Palma betrachtet. Seine eleganten Landhäuser und hübschen Atquerias liegen geschützt unter dem erquickenden Schatten von Bäumen, besonders von alten Feigenbäumen, die eine seltsame knorrige Gestalt haben.
Die nicht geringe Anzahl weißer Häuser thront übrigens auf einer Anhöhe, deren felsiger Fuß vom Schaume der Brandung benetzt wird. Nachdem sie das reizende Terreno hinter sich gelassen hatten, konnten Clovis Dardentor und die beiden Pariser, wenn sie sich umdrehten, mit einem Blicke die ganze Stadt Palma, ihre azurblaue Bucht bis zur Grenze des hohen Meeres und die gewundnen Linien ihres Ufers umfassen.
Die Galera rollte jetzt einen aufsteigenden Weg hinan, der sich unter einer Waldung von Aleppopinien verlor, die das Dorf umkränzt und den von den Mauern des Castillo de Bellver gekrönten Hügel bekleidet.
Welch’ herrliche Durchblicke über die Landschaft boten sich aber erst von etwas erhöhtem Standpunkte aus, wie reizend hoben sich die zerstreuten Häuser ab von der Farbe der Palmen, Orangen-, Granat-und Feigenbäume, von dem dunkeln Kaperngesträuch und dem Laube der Olivenbäume! Clovis Dardentor, dem das Herz immer auf der Zunge lag, verlieh auch seiner Bewundrung den beredtesten Ausdruck, obwohl ihm ähnliche Landschaftsbilder aus dem südlichen Frankreich bekannt sein mußten. Freilich mochte er so verwachsne, knorrige, höckrige und bucklige Olivenbäume und diese obendrein von so riesiger Größe wohl noch niemals gesehen haben. Wie ergötzte sich das Auge auch an den Hütten der Landleute, die, von Gemüsegärten umgeben, sich aus Myrten-und Cytisengebüsch nebst Tausenden von Blumen erhoben, darunter jene »Lagrymos« mit dem poetischen und traurigen Namen, und deren Wetterdächer von Laub umrankt und mit Hunderten von Büscheln rothen spanischen Pfeffers geschmückt waren!
Bisher war die Fahrt ganz nach Wunsch verlaufen und die Insassen der Galera hatten keine Ursache zu dem Rufe:
»Was zum Teufel haben wir in dieser Galera zu thun!«
Nein, die Galera wurde ja von keiner Doppelreihe von Rudern auf dem unzuverlässigen Elemente fortbewegt. Hier auf dem Lande bedrohte sie kein Ueberfall durch Seeräuber aus den Barbareskenstaaten. Sie hatte die Straße, die sich weniger launisch als das Meer erwies, glücklich überschifft, und es war fünf Uhr, als sie im Hafen, oder richtiger vor dem Thore des Castillo de Bellver, eintraf.
Das feste Schloß wurde einst in dieser beherrschenden Lage erbaut. weil es bestimmt war, die Stadt Palma und ihre Bai zu vertheidigen. Mit seinen tiefen Wallgräben, dicken Steinmauern und dem aufragenden Thurme bietet es auch ganz den, für mittelalterliche Festungen gewohnten Anblick. Vier kleinere Thürme schützen seine kreisförmige Außenmauer, innerhalb derer ein zweistöckiges Bauwerk in römischem und gothischem Stile errichtet ist. Davor erhebt sich der »Torre del Homenaje« (eigentlich der Huldigungs-oder Lehensthurm), dessen feudale Natur niemand verkennen kann.
Diesen Thurm wollten Clovis Dardentor,
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