Clovis Dardentor
Süden…!« antwortete Marcel Lornans.
Als authentisch nahmen sie dagegen die geschichtliche Ueberlieferung hin, daß der Karthager Hamilkar bei seiner Fahrt von Afrika nach Catalonien hier vor Anker ging und daß sein weltbekannter Sohn Hannibal hier das Licht der Welt erblickte.
Es als erwiesen hinzunehmen, daß auch die Familie Bonaparte von der Insel Majorca herstamme und hier seit dem fünfzehnten Jahrhundert ansässig gewesen sei, dessen weigerte sich Clovis Dartentor beharrlich. Von Corsica.. ja!… Von den Balearen?… Nimmermehr!
Wenn Palma, der Schauplatz zahlreicher Kämpfe war, zuerst, als es sich gegen die Schaaren Don Jayme’s vertheidigte, dann in der Zeit, wo sich die bäuerlichen Besitzer gegen den sie durch Steuern aussaugenden Adel auflehnten, und endlich. als es sich der Corsaren aus den Barbareskenstaaten erwehren mußte, so sind diese Tage jetzt längst vorüber. Die Stadt erfreute sich gegenwärtig einer Ruhe, die Jean Taconnat jeder Hoffnung beraubte, seinem Vater
in spe
bei einem etwaigen Ueberfalle zu Hilfe zu springen.
Bei dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts verweilend, erzählte der Führer noch, daß der Bergbach Riena, durch einen außergewöhnlichen Wasserzufluß angeschwellt, den Tod von sechzehnhundertdreiunddreißig Personen herbeigeführt habe. Das veranlaßte Jean Taconnat zu der Frage:
»Wo fließt denn dieser Bergbach?
– Mitten durch die Stadt.
– Werden wir darüber hinweg gehen?
– Ja gewiß.
– Und führt er viel Wasser?…
– Nicht genug, um eine Maus darin zu ersäufen.
– Na, der ist ja wie für mich geschaffen!« raunte der arme junge Mann seinem Vetter ins Ohr.
Harmlos plaudernd besichtigten die drei Touristen die untere Stadt, indem sie den Kais, oder vielmehr den Terrassen nachgingen, die sich auf der bastionierten Umfassungsmauer längs des Meeres hinziehen.
Einige Häuser hier zeigten die malerischen Formen der maurischen Architektur, was sich daraus erklärte, daß Mauren vierhundert Jahre lang auf der Insel wohnten. Durch die halboffnen Thüren erblickte man die innern Höfe, die Spatios mit den leichten Colonnaden, den traditionellen Ziehbrunnen mit seiner eleganten Eisenarmatur, die Treppe mit graziöser Windung, den mit blühenden Schlingpflanzen geschmückten Säulengang und die Fenster mit ihren steinernen Kreuzen von unnachahmlicher Zartheit.
Endlich kamen Clovis Dardentor und seine Begleiter vor einem, von vier achteckigen Thürmen flankierten Gebäude an, das zwischen dem Stile der Frührenaissance auch Spuren gothischer Baukunst aufwies.
»Was stellt denn dieser alte Steinklumpen vor?« fragte Herr Dardentor.
Wenn er nicht Patrice hätte ein wenig ärgern wollen, konnte er wohl einen etwas gewählteren Ausdruck anwenden.
Die »Fonda« war es, die alte Börse, ein prächtiges Bauwerk mit sauber verzierten Fenstern und künstlerisch ausgearbeitetem Karnieß, dessen Auszahnung dem Werkmeister jener Zeit alle Ehre machte.
»Wir wollen hier hineingehen,« schlug Marcel Lornans vor, der sich für alle archäologischen Curiositäten interessierte.
Sie durchschritten darauf eine Bogenwölbung, die ein mächtiger Mittelpfeiler theilte. Im Innern befand sich ein, wohl tausend Personen fassender Saal, dessen Decken von gewundnen, schwachen Säulen getragen wurde. Hier fehlte nur das Getöse des Verkehrs, der Lärm der Kaufleute, wovon er in glücklicheren Zeiten widerhallen mochte.
Unser Perpignaneser ließ diese Bemerkung fallen. Die Fonda selbst hätte er gern nach seiner Heimatstadt versetzt gesehen, wo er schon allein dafür gesorgt hätte, ihr das einstige Leben wieder zuzuführen.
Selbstverständlich bewunderte Patrice all die schönen Dinge mit dem Phlegma des reisenden Engländers, der auf den Führer den Eindruck eines gesetzten und zugeknöpften Gentleman machte.
Was Jean Taconnat betrifft, müssen wir zugestehen, daß ihm die abgeleierten Standreden des Cicerone nur ein sehr mittelmäßiges Interesse einflößten. Er war für die Schönheiten der edlen Kunst der Architektur zwar nicht unempfänglich, von einer fixen Idee erfüllt folgten seine Gedanken jedoch einer ganz andern Richtung und er bedauerte nur, daß in dieser Fonda nichts zu machen sei.
Nach einem gezwungenermaßen kurzen Besuch wendete sich der Führer nach der Riena-Straße. Hier herrschte reges Leben. Die Männer, ausgezeichnet durch schönen Typus und elegante Haltung, trugen weite Beinkleider, einen Gürtel um die Taille und eine Weste aus Ziegenfell
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