Clovis Dardentor
scheiterte. Obgleich das dem jungen Mädchen gewiß keine Schmerzen machte, erhielt er zuletzt doch die Zusage, daß sie sich mit den Vorbereitungen zur Reise beschäftigen werde.
»Sie werden mir’s später danken, wiederholte er… ja, Sie werden mir’s schon noch danken!«
Patrice, der nun von dem Vorhaben unterrichtet wurde, verhehlte seinem Herrn gar nicht, daß diese Reise nicht seinen vollen Beifall habe. Er machte Einwendungen… da würden jedenfalls auch andre Touristen dabei sein… man wisse doch nicht wer… und… so mit andern zusammenzuleben… so ein Mischmasch…
Sein Herr erklärte ihm dagegen nur, er habe sich bereit zu halten, daß am Abend des 10. Mai, also binnen achtundvierzig Stunden, die Reisetaschen gepackt seien.
Als Herr Dardentor den beiden jungen Leuten den Entschluß der Familien Elissane und Désirandelle, sowie seinen eignen, mittheilte, beeilte er sich, ihnen sein Bedauern, sein lebhaftes, aufrichtiges Bedauern auszudrücken, daß sie ihn nicht begleiten könnten. Das wäre erst das volle Vergnügen gewesen, mit ihnen vereint zu »karawanen« – so drückte er sich aus – und einige Wochen durch die Provinz Oran zu pilgern!
Marcel Lornans und Jean Taconnat gaben ihr ebenso aufrichtiges wie nicht minder lebhaftes Bedauern kund. Nachdem sie jetzt aber schon zehn Tage lang in Oran weilten, konnten sie nicht länger zögern, ihre Stellung hier zu sichern.
Am nächsten Abend freilich, am Vorabend der geplanten Reise und nach Verabschiedung von Herrn Dardentor, wechselten die beiden Vettern folgende Fragen und Antworten:
»Sag’ einmal, Jean…
– Was willst Du, Marcel?
– Sollte denn eine Verzögerung von zwei Wochen…
– Länger als vierzehn Tage dauern?… Nein, Marcel, ich glaube das wenigstens nicht… auch nicht in Algerien!
– Wenn wir nun mit Herrn Dardentor reisten…
– Reisen, Marcel?… Den Vorschlag machst Du mir… Du, der mir nicht einmal für mein Rettungswerk vierzehn Tage bewilligen wollte?
– Ja, Jean… weil hier… in Oran… die Stadt ist so friedlich… da könntest Du keinen Erfolg erzielen. Auf so einer Rundreise aber… wer weiß… da kann irgend etwas vorkommen…
– He, Marcel, es wäre ja möglich. Feuer… Wasser… vorzüglich ein Kampf… Und auf diese Idee bist Du nur verfallen, um mir keine Gelegenheit entschlüpfen zu lassen?…
– Einzig deshalb! versicherte Marcel Lornans.
– Spaßvogel Du!« antwortete Jean Taconnat.
Zehntes Capitel.
Worin sich auf der Eisenbahn von Oran nach Saïda eine erste und ernsthafte Gelegenheit bietet.
Die von der Gesellschaft der Algerischen Eisenbahnen angekündigte Rundreise fand bei den oranischen Touristen ungetheilten Beifall. Die Leute freuten sich unbändig auf diese Fahrt von sechshundertfünfzig Kilometern durch die Provinz, d. h. dreihundert im Waggon und dreihundertfünfzig im Wagen oder mit andern Beförderungsmitteln zwischen Saïda, Daya, Sebdou, Tlemcen und Sidibel-Abbès. Das Ganze war ein Spaziergang, ein einfacher Spaziergang, den Liebhaber vom Mai bis zum October, d. h. in der Jahreszeit, welche nicht durch schwere Stürme unterbrochen wird, ganz nach Belieben ausführen könnten.
Es handelte sich hier übrigens, was wir ausdrücklich bemerken möchten, nicht um eine jener billigen Gesellschaftsreisen eines Stangen, Riesel u. a., bei denen man an eine bestimmte Route gebunden und gezwungen ist, am nämlichen Tage und an nämlicher Stunde die nämlichen Städte und nämlichen Merkwürdigkeiten zu besuchen, ein Programm, das die Betheiligten oft belästigt und von dem sie doch nicht abweichen können. Nein, in dieser Hinsicht war Patrice im Irrthum. Von Zwang, von Mischmasch war hier keine Rede. Die Billets waren die ganze Saison über käuflich. Jeder reiste ab, wann es ihm paßte, und hielt sich unterwegs auf, wo es ihm gefiel. Da nun jedermann freigestellt war, die Reise anzutreten, wann er wollte, zeigte sich der erste, am 10. Mai abgehende Sonderzug nur von etwa dreißig Ausflüglern besetzt.
Die Reiselinie war recht zweckentsprechend gewählt. Von den drei Unterpräfecturen, die Oran zählt, nämlich Mostaganem, Tlemcen und Mascara, verlief sie durch die zwei letzten, und von den fünf Militärbezirken – Mostaganem, Saïda, Oran, Mascara und Sidibel-Abbès – berührte sie drei. Innerhalb dieses Gebiets, mit dem Departement Algier im Osten, Marokko im Westen, die Sahara im Süden und das Mittelmeer im Norden, bietet die Provinz sehr wechselreiche Bilder, hier Berge
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