Clovis Dardentor
Minarets eine Persönlichkeit, die mit dem Fernrohr den Horizont absuchte.
»Da… da… Herr Oriental! rief er.
– Wie… der Sternenjäger… der Planetenrecensent! platzte der Perpignaneser heraus.
– Er selbst… er äugt ins Weite…
– Wenn er hinausängt, ist er es auch gar nicht! erklärte Jean Taconnat. Von dem Moment an, wo er nicht ißt, ist es Herr Oriental nicht mehr!«
Dennoch war das der Vorsitzende der Astronomischen Gesellschaft von Montélimar, der das Strahlengestirn in seinem Tageslaufe beobachtete.
Als sie endlich zum Mittagsmahl nach dem Hôtel zurückkehrten, empfanden die Herren Dardentor, Marcel Lornans und Jean Taconnat ein ausgesprochnes Bedürfniß nach Ruhe.
Patrice, der von dem ihm durch seinen Herrn gewährten Urlaub Gebrauch machte, war methodisch durch die Straßen hingewandert, wo er sich nicht für verpflichtet hielt, alles an einem Tage zu sehen und er sein Gedächtniß doch mit werthvollen Erinnerungen bereicherte.
So erlaubte er sich auch einen leisen Tadel gegen Herrn Dardentor, der in allem, was er vornahm, nicht die nöthige Mäßigung einhalte und Gefahr laufe, sich über die Gebühr zu ermüden. Er erhielt dafür zur Antwort, daß ein Eingeborner der Ostpyrenäen überhaupt keine Müdigkeit kenne, und daß er sich ruhig schlafen legen solle.
Das that denn Patrice auch gegen acht Uhr, nachdem er das Hôtelpersonal vorher durch seine wohlgesetzten Reden und seinen Manieren höchlichst ergötzt hatte.
In derselben Stunde fanden sich Herr Dardentor und die beiden Vettern in dem bewußten Hause der Alten Schloßstraße ein. Die Familien Elissane und Désirandelle verweilten hier im Salon. Von Clovis Dardentor vorgestellt, wurden Marcel Lornans und Jean Taconnat sehr liebenswürdig empfangen.
Die beiden jungen Leute konnten einige neuere Compositionen vortragen (S. 135.)
Die Abendgesellschaft verlief wie alle bürgerlichen Abendgesellschaften, man plauderte, schlürfte eine Tasse Thee und musicierte ein wenig. Louise Elissane spielte mit seinem Geschmack und wirklichem Kunstverständniß Piano, Marcel Lornans – welcher Zufall! – »besaß«, um das gebräuchliche Wort anzuwenden, gerade eine recht hübsche Stimme. So fügte es sich, daß der junge Mann und das junge Mädchen einige neuere Compositionen vortragen konnten.
Clovis Dardentor verehrte die Musik und widmete ihr eine so begeisterte unbewußte Aufmerksamkeit wie viele andre Leute, die nur wenig davon verstehen. Diesen genügt es, daß die Töne zu einem Ohre ein-und durch das andre austreten, ohne daß ihr Gemüth einen Eindruck davon empfängt. Nichtsdestoweniger unterließ es unser Perpignaneser nicht, seine Lobsprüche auszutheilen, zu applaudieren und mit südländischer Begeisterung »Bravo »und »Bravissimo« zu rufen.
»Zwei Talente, die sich einander vermählen!« sagte er schließlich.
Die junge Pianistin lächelte dazu, der junge Sänger sah etwas verlegen aus, und Herr und Frau Désirandelle runzelten die Stirne. Ihr Freund war in der That nicht glücklich in der Wahl seiner Ausdrücke, und seine letzten Worte, die gewiß auch Patrice’s Beifall gefunden hätten, begegneten hier getheilter Aufnahme.
An Agathokles freilich konnte man sich mit nichts »vermählen«, weder mit Talent, noch mit Geist oder seiner Persönlichkeit, »an ihm, dachte Jean Taconnat, war nicht einmal genug für eine Convenienzheirat.«
Der Spaziergang wurde bis zum Negerdorf ausgedehnt. (S. 139.)
Das Gespräch kam dann gelegentlich auch auf den Spaziergang, den Herr Dardentor und die beiden Pariser durch die Stadt gemacht hatten. Die recht gut unterrichtete Louise Elissane beantwortete ohne Ziererei einige Fragen, die ihr gestellt wurden, und gab Aufschluß über die Festsetzung der Araber hier seit drei Jahrhunderten, über die Einnahme Orans durch die Franzosen vor einigen sechzig Jahren, und über den Handel von Oran, der diesem die erste Rangstellung unter den algerischen Städten sicherte.
»Unsre Stadt, fügte das junge Mädchen hinzu, ist aber nicht immer vom Glück begünstigt gewesen und ihre Geschichte ist reich an trüben Erinnerungen. Den Angriffen der Muselmanen folgten schwere Naturereignisse. So war sie durch das Erdbeben von 1790 fast gänzlich zerstört worden…«
Jean Taconnat spitzte das Ohr.
»Und, fuhr das junge Mädchen fort, nach den Bränden, die dieses unglückselige Ereigniß im Gefolge hatte, kamen die Türken und Araber und setzten sich in Besitz der Stadt. Ruhe
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