Clovis Dardentor
oder Kampfesnoth zu retten.
– Du faselst!
– Ich fasele?… Ja, doch mit allem Ernste überlegenen Verstandes, und ich ertheile Dir nur guten Rath.
– Du wirst wohl zugeben, Jean, daß ich von Anfang herein Pech gehabt habe. Da bricht nun im Zuge Feuer aus, und nicht allein bleibt es mir versagt, Herrn Dardentor zu retten, nein, er ist es sogar, der mich rettet.
– Ja freilich, Marcel, das ist Pech, unser verteufeltes Pech! Doch, da fällt mir ein, jetzt wärst Du in der gewünschten Lage, den Perpignaneser zu adoptieren. Das käme zuletzt auf eins hinaus! So adoptiere ihn also, und er dotiert dann seinen Vater…
– Unsinn! erklärte Marcel Lornans lachend.
– Warum denn?
– Weil es gesetzliche Vorschrift ist, daß der Adoptant älter als der Adoptierte sein muß, und wär’s nur um einige Tage.
– Ach, Marcel, es geht uns einmal alles gegen den Strich, und wie verflixt schwierig ist es doch, sich durch juristische Hilfsmittel einen Vater zu erobern!«
Da erscholl eine laute Stimme in dem Gange, woran das Zimmer lag.
»Das ist er!« sagte Jean Taconnat.
Clovis Dardentor erschien, aufgeräumt wie immer, in der Thür, und mit einem einzigen Satze sprang er von der Schwelle bis an Marcel Lornans’ Lager.
»Wie, rief er, immer noch nicht aufgestanden?… Ist er etwa krank? Fehlt es seiner Athmung an Tiefe und Regelmäßigkeit?… Soll ich ihm etwa Luft in die Lungen blasen?… Kein Genieren!… Ich habe die Brust voll ganz besonders wirksamen Sauerstoffs, zu dem ich allein das Recept besitze.
– Herr Dardentor… mein Retter! sagte Marcel Lornans sich aufrichtend.
– Ach nein… nein!
– Doch… ja! erwiderte Jean Taconnat. Ohne Sie wäre er erstickt! Ohne Sie wäre er gekocht, gebraten, gebacken, eingeäschert! Ohne Sie hätten wir von ihm jetzt nur noch ein Häuschen Asche übrig, die ich in einer Urne mit nach Hause nehmen könnte!
– Armer Junge!… Armer Junge!« wiederholte Herr Dardentor, die Hände gen Himmel erhebend.
Dann fuhr er fort:
»Es ist also doch wahr, daß ich ihn gerettet habe!«
Er betrachtete ihn gerührt und umarmte ihn in einem Anfalle von acutem »Perichonismus«, der vielleicht noch einen chronischen Charakter annahm.
Nun begannen die Drei zu plaudern.
Wie war das Feuer nach dem Coupé gekommen, worin Marcel Lornans so ruhig schlief?… Vielleicht hatte es ein Funken aus der Locomotive veranlaßt, der durch das Fenster fliegend das Polster in Brand gesetzt hatte… dann mochte dieser durch die schnelle Bewegung des Zuges weiter angefacht worden sein…
»Und die Damen? fragte Marcel Lornans.
– Sie befinden sich wohl und haben sich von dem Schrecken erholt, mein lieber Marcel…
– Aha, jetzt heißt’s schon »mein lieber Marcel«, schien sich Jean Taconnat zu sagen.
– Denn Sie sind in Zukunft doch fast wie mein Kind! setzte Clovis Dardentor hinzu.
– Sein Kind! murmelte der Vetter.
– Und Sie hätten nur Fräulein Elissane sehen sollen, fuhr der brave Mann fort. wie sie, als der Zug endlich hielt, nach dem von den Flammen umzüngelten Waggon stürzte! Ja, bei Gott, eben so schnell wie ich! Als ich Sie dann auf der Strecke niedergelegt hatte, da war sie schon mit ihrem Taschentuche zur Hand, goß ein wenig von einer belebenden Essenz darauf und netzte damit Ihre Lippen. O, Sie hatten ihr einen gewaltigen Schreck eingejagt, und ich fürchtete immer, sie würde selbst in Ohnmacht fallen!«
Tiefer ergriffen, als er es sehen lassen wollte, faßte Marcel Lornans beide Hände des Herrn Dardentor und dankte aufrichtig für alles, was dieser für ihn gethan hatte… für seine Bemühungen… für das Taschentuch des Fräuleins Louise! Das rührte unsern Perpignaneser dermaßen, daß ihm die Augen feucht wurden.
»Ein Regentropfen zwischen zwei Sonnenstrahlen! dachte sich Jean Taconnat, der das ergreifende Bild mit Schalksaugen betrachtete.
– Nun, mein lieber Marcel, wollen Sie sich denn nicht aus Ihren Decken auswickeln?
– Ich war im Begriff aufzustehen, als Sie eintraten.
– Wenn ich Ihnen helfen kann…
– Danke, danke, Jean ist ja da…
– Bitte, mich nicht schonen zu wollen!… Sie gehören nun doch mir an. Ich beanspruche das Recht, für Sie sorgen zu dürfen…
– Wie ein Vater! mischte sich Jean Taconnat ein.
– Ja, wie ein Vater, wie ein solcher nur sorgen kann, sonst soll mir der Teufel gleich an den Nacken fahren!«
Zum Glück war Patrice nicht anwesend.
»Doch nun, liebe Freunde, vorwärts! Wir erwarten Sie Beide im
Weitere Kostenlose Bücher