Clovis Dardentor
zerstörten Stadt, deren von Mauern umschlossenes Viereck zu den festen Plätzen Abd-el-Kader’s gehörte. Nachher wurde die neue Stadt zwei Kilometer südöstlich zwischen dem Tell und den Hochebnen in der Höhe von neunhundert Metern erbaut.
Saïda »die Schöne«, wie die Stadt genannt wird, bildet mit ihrer halbmodernen und den Landessitten angepaßten Organisation nur einen Abklatsch von Saint-Denis du Sig oder Mascara. Auch hier gab es den unvermeidlichen Friedensrichter, den Personal-, Grundsteuer-und Acciseeinnehmer, den Forstaufseher und das hergebrachte arabische Bureau. Von Bau-oder Kunstdenkmälern, wie von einer Localfärbung war nichts zu entdecken, was bei einer verhältnißmäßig so neuen Stadt nicht wundernehmen kann.
Herrn Dardentor fiel es deshalb aber gar nicht ein, sich zu beklagen. Seine Neugier fand Befriedigung, oder seine industriellen Instincte wurden vielmehr neu aufgefrischt, wenn das Tiktak der Mahlmühlen oder das Kreischen der Sägen aus den Schneidemühlen an sein Ohr schlug. Höchstens bedauerte er, nicht an einem Mittwoch, dem Tage des großen arabischen Wollmarkts, nach Saïda gekommen zu sein. Seine Anlage zum tot
admirari
sollte indeß während des ganzen Ausfluges nicht unerprobt bleiben, und so wie man ihn am Anfange der Fahrt sah, erwies er sich gewiß auch noch am Ende derselben.
Zum Glück bieten die Umgebungen von Saïda hübsche Bilder, Landschaften die das Auge entzücken müssen, und reizende Aussichten, die einem Maler den Pinsel in die Hand drücken könnten. Auch hier prangen herrliche Weingelände und reiche Baumschulen und Gärten, worin die ganze algerische Flora vertreten ist. Wie überhaupt die drei Provinzen der französischen Colonie, zeigt auch die saïdische Landschaft überall den Charakter der Fruchtbarkeit. Eine halbe Million Hektar sind hier allein der Cultur der Alfa gewidmet. Der Erdboden ist von bester Beschaffenheit und die Thalsperre des Oued-Méniarin versorgt ihn mit dem nöthigen Wasser. So liefert das Land reiche Ernten, neben denen auch ausgedehnte Brüche von gelbgeadertem Marmor eine gutbezahlte Ausbeute sichern.
Das veranlaßte Herrn Dardentor zu der auch von andern hellen Köpfen wiederholt erörterten Frage:
»Wie kommt es, daß Algerien sich trotz seiner natürlichen Hilfsquellen doch nicht selbst erhalten kann?
– Hier wachsen zu viele Beamte und zu wenig Colonisten, die von den ersteren erstickt werden, wie Nutzpflanzen durch überwuchernde Disteln!«
Der Spaziergang wurde bis auf zwei Kilometer nordwestlich von Saïda fortgesetzt. Hier, auf einer Berglehne, an deren Fuß der Méniarin gegen hundert Meter tiefer dahinplätschert, erhob sich einst die alte Stadt, freilich nur Ruinen der Festung des berühmten arabischen Häuptlings, den das schließliche Los aller Eroberer traf.
Zur Essenszeit kehrte die Gruppe Dardentor nach dem Hôtel zurück, und nach der Tafel verschwand jedermann bald in seinem Zimmer, um die letzten Vorbereitungen zur Abreise zu treffen.
Wenn für Jean Taconnat auch dieser Tag mit sich aufhebendem Nutzen und Verlust abschloß, konnte doch Marcel Lornans seine Activseite durch einen glücklichen Eintrag bereichern… hatte er doch Gelegenheit gefunden, sich mit Louise Elissane zu unterhalten, sich für ihre Bemühungen zu bedanken…
»Ach, Herr Lornans, hatte das junge Mädchen geantwortet, als ich Sie so leblos, kaum athmend da liegen sah, fürchtete ich, daß… Nein, diese Minuten werd’ ich niemals vergessen!«
Offenbar bezeichneten diese Worte weit mehr, als der »gewaltige Schreck«, von dem Herr Dardentor gesprochen hatte.
Zwölftes Capitel.
Worin die Karawane Saida verläßt und in Daya ankommt.
Am nächsten Tage, eine Stunde vor dem Aufbruche, wartete das Personal und das Material der Karawane am Bahnhofe auf das Eintreffen der Touristen. Der Anführer Derivas ertheilte die letzten Befehle. Der Araber Moktani sattelte sein Pferd. Drei offne Wagen und ein Proviantwagen, die auf dem Platze vor dem Bahnhofe standen und worauf die Kutscher schon Platz genommen hatten, waren fertig, mit ihren feurigen Gespannen im Galopp davonzufahren. Wiehernd bäumten sich ein Dutzend Pferde und Maulthiere, während reich geschirrte Kameele friedlich am Boden lagen. Fünf für die Dauer des Ausflugs angeworbne Eingeborne, die in ihren weißen Burnussen mit gekreuzten Armen in einem Winkel hockten, warteten nur auf das Signal des Anführers.
Mit der neun Personen zählenden Gruppe Dardentor sollte die Karawane
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