Clovis Dardentor
Speisesaale. Noch eine Tasse Kaffee, dann gehen wir nach dem Bahnhofe, wo ich sehen möchte, ob für unsre Karawane alles in Ordnung ist. Nachher spazieren wir durch die Stadt; das wird schnell abgemacht sein… später durch die Umgebung, und morgen, zwischen acht und neun Uhr, machen wir uns nach arabischer Mode auf den Weg. Vorwärts, Touristen!… Vorwärts, Ausflügler! Sie werden ja sehen, ob ich das richtig zugeschnittene Aussehen habe, wenn mir der Zerdani um die Schultern flattert. Ein Scheik… ein leibhaftiger Scheik aus der Scheikardie!«
Damit drückte er Marcel so kräftig die Hand, daß er ihn dabei halb aus dem Bette zerrte, und verließ das Zimmer, während er ein Volksliedchen aus den Pyrenäen vor sich hinträllerte.
»Sapperlot, rief Jean Taconnat, als jener verschwunden war, wo fände man Leute, die sich mit ihm und… mit ihr vergleichen könnten!… Er, mit seinem afrikanischen Zerdani… sie, mit ihrem duftenden Taschentuche!
– Jean, erwiderte Marcel etwas verletzt, Du scheinst mir über Gebühr lustig zu sein.
– Du hast mich ja selbst dazu aufgefordert… nun bin ich lustig!« antwortete Jean Taconnat, eine Pirouette schlagend.
Marcel Lornans begann sich anzukleiden. Er sah noch ein wenig blaß aus, doch das würde sich verlieren.
»Na, übrigens, phantasierte sein Vetter weiter, wären wir unter den Siebenten Jägern noch ganz andern Abenteuern ausgesetzt. Zum Teufel, da kläng’ es wohl noch anders! Ein Sturz vom Pferde, ein Schlag mit dem Hufe, und in der Schlacht… ein Bein weg… ein Arm verschwunden… ein Loch in der Brust… die Nase futsch… der Kopf zum Kuckuck, und dazu die Unmöglichkeit, gegen die Brutalität der Geschosse von zehn Centimetern und auch von geringerem Durchmesser Einspruch zu erheben!«
Da Marcel Lornans ihn einmal so im Zuge sah, verzichtete er darauf, ihn zu unterbrechen, und wartete, bis er den Hahn am Mundstück seiner Scherze selbst schließen würde.
»Spotte nur immer zu, Freund Jean, vergiß aber nicht, daß ich auf jeden Versuch verzichtet habe, mich durch meinen Retter dadurch adoptieren zu lassen, daß ich ihn auch selbst einmal errette. Mach’ Du, was Du willst. Meinen Segen hast Du!
– Ich danke, Marcel.
– O, nicht der Rede werth, Jean… Dardentor!«
Eine halbe Stunde später betraten Beide den Speisesaal des Hotels… eigentlich eines einfachen, doch sauber gehaltenen und anheimelnden Gasthofs.
Die Familien Elissane und Dósirandelle standen an einem der Fenster zusammen.
»Da ist er!… Da ist er! rief Clovis Dardentor, da ist er… Lungen und Magen noch vollständig in Ordnung… heil und gesund aus dem Backofen entwischt!«
Patrice wandte den Kopf ab, denn das unangebrachte Wort »Backofen« schien ihm einige beklagenswerthe Vergleichungen zu erwecken.
Frau Elissane empfing Marcel Lornans mit ein paar liebenswürdigen Worten und beglückwünschte ihn, der schrecklichen Gefahr entronnen zu sein.
»Dank dem Herrn Dardentor, antwortete Marcel Lornans. Ohne seine Opferfreudigkeit…«
Patrice sah mit Befriedigung, daß sein Herr sich ohne weitere Antwort begnügte, dem jungen Mann die Hand zu drücken.
Die Désirandelle’s dagegen verzogen die Lippen, sahen höchst gleichgiltig aus und verneigten sich kaum zur Begrüßung der beiden Pariser.
Louise Elissane sprach selbst kein Wort; ihr Blick begegnete aber dem Marcel Lornans’, und vielleicht sagten sie sich mit den Augen mehr, als die Lippen hätten aussprechen können.
Nach dem Frühstück bat Herr Dardentor die Damen, sich inzwischen fertig zu machen, während die Herren auf kurze Zeit ausgingen. Dann begaben sich die beiden jungen Leute und er, sowie die Herren Désirandelle, nach dem Bahnhofe.
Wie schon erwähnt, mündet die Bahnlinie von Arzeu nach Saïda in letztgenannter Stadt. Noch weiter und durch die Alfagebiete der franco-algerischen Actiengesellschaft hat die Südoranische Eisenbahncompagnie ihre Linie über Tafararona bis zur Station Kralfalla hinausgeschoben. Von hier giebt es drei Zweiglinien: die erste, bereits betriebene Linie verläuft über den Kreider bis Mecheria und Aïn-Sefra; die zweite, noch im Bau befindliche, erstreckt sich nach Osten hinaus in der Richtung nach Zragnet; die dritte, erst projectierte, soll über Aïn-Sfissifa bis Geryville weitergeführt werden, dessen Höhenlage fast vierzehnhundert Meter über dem Meere erreicht.
Die Lustreise sollte sich aber nicht bis so weit nach dem Süden erstrecken. Die Touristen gedachten sich
Weitere Kostenlose Bücher