Clovis Dardentor
hielt gegen sechs Uhr an der entgegengesetzten Seite des Waldes von Ourgla ein wenig an. Von hier aus trennten sie nur noch fünf bis sechs Kilometer von El-Gor, wo sie vor Einbruch der Nacht anlangen mußte.
An dieser Stelle wurde ein Flußübergang nöthig, der sich weniger leicht als die früheren gestaltete.
Ein ziemlich breiter Oued durchschnitt die Straße. Der Sar, ein Seitenarm des Oued-Slissen, hatte Hochwasser, wahrscheinlich infolge der theilweisen Leerung einer stromaufwärts gelegnen, überfüllten Thalsperre. Die Furten, durch die die Karawane zwischen Saïda und Daya gezogen war, hatten kaum die Füße der Gespanne benetzt, da sie fast trocken lagen. Diesmal handelte es sich um achtzig bis neunzig Centimeter Wassertiefe, was indeß den Führer, der die Furt genau kannte, gar nicht in Verlegenheit setzte.
Moktani wählte also eine weniger steil abfallende Stelle aus, wo die Personen-und der Lastwagen bequemer nach dem Bett des Oued hinabgelangen konnten. Da das Wasser kaum bis über die Nabe der Räder reichen sollte, würden die Sitzkasten trocken bleiben und die Insassen konnten darauf rechnen, ungefährdet nach dem andern, etwa zehn Meter entfernten Ufer zu gelangen.
Der Führer ritt voraus; Derivas und Dardentor folgten ihm. Von der Höhe seines gewaltigen Reitthiers beherrschte letzterer sozusagen die Fläche des Flusses, ähnlich einem Wasserungethüm der antediluvianischen Epoche.
Zu beiden Seiten des Wagens, worin die Damen saßen, hielten sich Marcel Lornans zur Linken und Jean Taconnat zur Rechten. Dann folgten die andern beiden Wagen, von denen die Touristen nicht abgestiegen waren. Die auf den Lastwagen sitzenden Eingebornen bildeten die Nachhut der Karawane.
Agathokles hatte auf das bestimmte Verlangen seiner Mutter von dem Maulthiere absitzen und mit in den Wagen steigen müssen. Frau Désirandelle wollte ihren Sohn keinem unfreiwilligen Bade im Sar ausgesetzt sehen, für den Fall, daß das launische Thier wieder einige Bocksprünge wagte, denen sein Reiter rettungslos zum Opfer gefallen wäre.
Die Durchfahrt ging in der von Moktani eingehaltenen Richtung bisher ohne Unfall von statten. Da sich das Flußbett allmählich vertiefte, sanken die Gespanne nur nach und nach ins Wasser. Dieses reichte ihnen, selbst in der Mitte des Oued, noch nicht einmal bis an den Bauch. Wenn die Reiter auch die Beine emporhoben, hatten das Herr Dardentor und der Führer auf ihren Meharis nicht nöthig.
Die Hälfte der kleinen Strecke war bereits überwunden, als sich ein Schrei vernehmen ließ.
Louise Elissane hatte ihn ausgestoßen, als sie Jean Taconnat verschwinden sah, dessen Pferde es für alle vier Füße plötzlich an Grund fehlte.
Rechts von der Furt befand sich nämlich eine fünf bis sechs Meter tiefe Depression, die der Führer dadurch vermied, daß er sich etwas weiter stromauf davon hielt.
Der Aufschrei des Fräulein Elissane brachte die Karawane zum Stehen.
Jean Taconnat als guter Schwimmer wäre nicht gefährdet gewesen, wenn er sich von den Steigbügeln befreit hätte. Von dem plötzlichen Vorgang überrascht, fand er aber keine Zeit dazu und wurde gegen die Seite seines Pferdes geworfen, das heftig ausschlug.
Marcel Lornans riß in dem Augenblicke, wo sein Vetter verschwand, sein Pferd schnell nach rechts.
»Jean, rief er, Jean!…«
Trotz seiner Unfähigkeit zu schwimmen, wollte er doch, auf die Gefahr, selbst zu ertrinken, den Versuch machen, ihm Hilfe zu bringen, als ein Andrer ihm schon zuvorkam. Dieser Andre war Clovis Dardentor. Nach Abwerfung seines Zerdani stürzte sich der Perpignaneser vom Rücken seines Mehari in den Sar und schwamm nach der Stelle, wo sich noch ein Wirbeln des Wassers zeigte.
Regungslos, kaum athmend und starr vor Schreck folgten Aller Augen dem kühnen Retter. Sollte er seine Kräfte nicht überschätzt haben und waren am Ende gar zwei Opfer statt eines zu zählen?
Nach wenigen Secunden tauchte Clovis Dardentor wieder auf und zog den halberstickten Jean Taconnat, den er glücklich aus den Steigbügeln losgemacht hatte, nach sich. Er hatte ihn am Halskragen gepackt, hielt seinen Kopf mit der einen Hand über Wasser und steuerte mit der andern Hand den seichteren Stellen zu.
Einige Augenblicke später erstieg die Karawane das jenseitige Ufer. Alles verließ die Wagen und die Pferde und drängte sich um den jungen Mann, der bald wieder zum Bewußtsein kam, während Clovis Dardentor sich wie ein durchnäßter Neufundländer schüttelte.
Jean
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