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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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natürlich das große Wort. Doktor Bruno fand,
    so flüssig es ihm sonst vom Mund ging, nur mit Mühe Gele-
    genheit, eine Bemerkung einzuflechten, Jean Taconnat ging
    es nicht besser, doch letzterer amüsierte sich weidlich, dem
    Redeschwall zu lauschen. Marcel Lornans begnügte sich zu
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    lächeln, und Agathokles damit, daß er immer aß, ohne auf
    etwas zu hören. Herr Eustache Oriental schnalzte vergnüg-
    lich bei den besten Stücken, die er mit einer Flasche Pom-
    mard begoß, die ihm der Oberkellner in einem breiten und
    sicherstehenden Weinkübel vorgesetzt hatte. Die noch übri-
    gen Tischgäste können wir hier außer Betracht lassen.
    Da schwirrte es nun durcheinander, von den Vorzügen
    des Südens gegenüber dem Norden, den unbestreitbaren
    Verdiensten der Stadt Perpignan, von der Stellung, die eines
    seiner – hier handgreiflichen – Kinder einnehme, von Clo-
    vis Dardentor in höchsteigener Person, von der Beachtung,
    die ihm sein ehrlich erworbenes Vermögen zulenkte, den
    Reisen, die er schon gemacht oder noch geplant hatte, von
    seiner Absicht, Oran zu besuchen, das die Désirandelles vor
    ihm stets im Mund führten, von seiner Absicht, die schöne
    algerische Provinz zu bereisen . . . kurz, er war nun abgefah-
    ren und kümmerte sich gar nicht darum, wann er heimkeh-
    ren würde.
    Man würde stark irren in dem Glauben, daß dieses Ge-
    dränge von Sätzen, das von den Lippen Clovis Dardentors
    floß, es verhindert hätte, daß der Inhalt seines Tellers nach
    seinem Mund gelangte. Nein, das ging alles gleichmäßig be-
    quem hinein und heraus. Der merkwürdige Mann sprach
    und aß zu derselben Zeit und vergaß auch nicht, sein Glas
    zu leeren, um diese doppelte Operation zu erleichtern.
    »Das ist aber eine menschliche Maschine«, sagte sich
    Jean Taconnat, »die funktioniert ausgezeichnet! Dieser
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    Dardentor ist eines der vollendetsten Muster von Südlän-
    dern, dem ich je begegnet bin.«
    Doktor Bruno bewunderte ihn nicht minder. Genanntes
    Muster hätte gewiß ein herrliches Sektionsobjekt abgege-
    ben, und wie würde die Physiologie sich durch Ergründung
    der Geheimnisse eines solchen Organismus bereichert ha-
    ben! Da jener es sich jetzt aber doch verbeten haben würde,
    ihm den Leib aufzuschlitzen, begnügte sich der Doktor,
    Herrn Dardentor zu fragen, ob er denn mit seiner Gesund-
    heit stets gut hausgehalten habe.
    »Mit der Gesundheit, lieber Doktor? . . . Ja, was verste-
    hen Sie denn unter diesem Wort?«
    »Nun, dasselbe, was die ganze Welt darunter versteht«,
    erwiderte der Doktor, »nach der allgemein angenommenen
    Definition, den dauernden und leichten Verlauf aller Funk-
    tionen der Körperökonomie . . .«
    »Und indem wir uns dieser Definition anschließen«, ließ
    Jean Taconnat sich vernehmen, »möchten wir wissen, ob bei
    Ihnen, Herr Dardentor, diese Funktionen so leicht . . .«
    »Und so ungestört verlaufen«, fügte Marcel Lornans
    hinzu.
    »Ganz ungestört, denn ich bin niemals krank gewesen«,
    erklärte unser Perpignaneser, indem er kräftig auf seinen
    Brustkasten loshämmerte, »und leicht, weil sie vonstatten
    gehen, ohne daß ich etwas davon bemerke.«
    »Nun, mein lieber Herr«, fragte Kapitän Bugarach, »sind
    Sie jetzt darüber, was man unter dem Wort Gesundheit ver-
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    steht, soweit aufgeklärt, daß uns gestattet ist, auf die Ihrige
    zu trinken?«
    »Wenn das dazu nötig ist, so gesteh’ ich ein, darüber völ-
    lig aufgeklärt zu sein, und wirklich scheint es mir nun an
    der Zeit, in Erwartung des Desserts einigen ›Weißköpfen
    den Hals zu brechen‹!«
    Im Süden ist dieser Ausdruck für »Champagner trin-
    ken« allgemein gebräuchlich, und von Clovis Dardentor
    ausgesprochen, erhielt er gewiß die richtige südländische
    Klangfarbe.
    Der Röderer wurde also aufgetischt, die Kelchgläser füll-
    ten sich, mit weißer Schaumkrone bedeckt, und die Unter-
    haltung ertrank darin keineswegs . . . im Gegenteil!
    Doktor Bruno war es, der das Feuer mit folgenden Wor-
    ten wieder eröffnete:
    »Nun, Herr Dardentor, möchte ich Sie um Beantwortung
    einer zweiten Frage bitten: Haben Sie sich zur Bewahrung
    dieses ungetrübten Gesundheitszustands von jedem Exzeß
    ferngehalten?«
    »Was verstehen Sie unter dem Wort Exzeß?«
    »Alle Kuckuck!« fiel Marcel Lornans lachend ein, »das
    Wort Exzeß ist in den Ostpyrenäen also ebenso unbekannt
    wie das Wort Gesundheit?«
    »Unbekannt . . . nein, Herr Lornans, doch offen gestan-
    den

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