Clovis Dardentor
sumpfigen Gehölzen, die nach der Stadt be-
nannt werden und in denen Betoums, Pistazien und wilde
Brustbeerbäume vorkommen.
Immer der Bewunderung voll, war es Herr Dardentor,
der seine Reisegenossen den ganzen Tag an sich zu fesseln
wußte. Marcel Lornans wäre vielleicht lieber bei Frau und
Fräulein Elissane geblieben, selbst wenn er die Désirandel-
les dabei hätte in Kauf nehmen müssen. Der Retter und der
Gerettete durften sich indes nicht trennen. Jean Taconnat
war notwendigerweise neben dem Perpignaneser, von dem
er keinen Fußbreit abließ.
Ein einziger beteiligte sich nicht an dem Ausflug, und
das war Agathokles, dank dem Zureden Clovis Dardentors,
der dessen Eltern noch einmal ins Gebet genommen hatte.
Seiner Ansicht nach mußte ihr Sohn bei Louise Elissane zu-
rückbleiben, da die Damen die Herren nicht begleiteten.
Eine freimütige Erklärung würde die Verhältnisse der bei-
den Verlobten gleich aufhellen . . . Der Augenblick zu einer
solchen gegenseitigen Aussprache sei gekommen usw. Kurz,
Agathokles blieb auf ergangenen Befehl zurück.
Ob es zu einer Erklärung gekommen war, wußte am
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Abend noch niemand; doch als Herr Dardentor da Louise
fragte, ob sie gut ausgeruht habe, um am nächsten Tag wie-
der weiterfahren zu können, antwortete sie:
»Oh, von der ersten Stunde an, Herr Dardentor!« Ihr Ge-
sicht verriet dabei aber etwas wie schreckliche Langeweile.
»Agathokles hat Ihnen doch wohl den ganzen Tag über
Gesellschaft geleistet, mein liebes Fräulein? . . . Da haben Sie
zwanglos plaudern können . . . Das verdanken Sie mir . . .«
»Ah, also Ihnen, Herr Dardentor!«
»Ja . . . ich hatte den vortrefflichen Gedanken und zweifle
nicht, daß Sie sich darüber gefreut haben . . .«
»Oh, ich bitte Sie, Herr Dardentor!«
Dieses »Ah« und dieses »Oh« sagten sehr viel . . . so-
viel, daß ein 2stündiges Gespräch auch nicht mehr an den
Tag gebracht hätte. Unser Perpignaneser begnügte sich da-
mit aber nicht, er setzte Louise weiter zu und entwand ihr
schließlich das Geständnis, daß sie Agathokles nicht leiden
könne.
»Zum Teufel«, murmelte der im Fortgehen, »das geht
also nicht von allein! Pah, das letzte Wort ist ja noch nicht
gesprochen! . . . So ein Mädchenherz ist doch unergründ-
lich, und wie recht tat ich, den Kopf nie in eine solche
Schlinge zu stecken!«
So dachte Dardentor, es kam ihm dabei aber gar nicht in
den Sinn, daß Marcel Lornans dem jungen Désirandelle ein
Unrecht zugefügt haben könne. Seiner Meinung nach ge-
nügte die auf der Hand liegende Unbedeutendheit, die von
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ihm selbst nicht erkannte Beschränktheit ihres Zukünfti-
gen, um die Mißachtung Louise Elissanes zu erklären.
Am folgenden Morgen um 7 Uhr wurde Daya wieder
verlassen. Menschen und Tiere . . . alle waren frisch und
marschbereit. Das Wetter gestaltete sich sehr günstig, wenn
beim Morgengrauen auch Dunstmassen am Himmel stan-
den, da diese sich doch bald auflösen mußten. Regen war
nicht in Aussicht. Über der Provinz Oran kondensieren sich
die Wolken so selten, daß nach 20jähriger Beobachtung die
mittlere jährliche Regenhöhe noch keinen Meter erreicht –
um die Hälfte weniger als in den anderen Provinzen Alge-
riens. Wenn auch nicht vom Himmel, so kommt hier, dank
den vielfachen Verzweigungen der Oueds, das Wasser doch
aus der Erde.
Die Entfernung zwischen Daya und Sebdou beträgt
etwa 74 Kilometer, wenn man der Fahrstraße folgt, die von
Ras-el-Ma über El-Gor nach Sebdou führt. Damit macht
man von Daya nach Ras-el-Ma freilich einen Umweg von
5 Lieues, doch ist dieser vorzuziehen, statt in gerader Li-
nie durch die Alfaanpflanzungen des Westens und durch
die Felder der Eingeborenen zu fahren. Das hügelige Land
hier bietet den Reisenden nämlich nicht den erquickenden
Schatten der an den Süden grenzenden Waldungen.
Von Daya aus fällt die Straße nach Sebdou zu. Bei früh-
zeitigem Aufbruch und Einhaltung einer etwas schnelleren
Gangart der Zugtiere rechnete die Karawane darauf, El-Gor
am Abend zu erreichen. Das war freilich eine tüchtige Stre-
cke, auf der nur einmal gefrühstückt werden sollte und über
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die sich die Meharis, die Pferde und die Maultiere vielleicht
zu beklagen gehabt hätten, diese taten es aber jedenfalls
nicht.
So ging es in gewohnter Ordnung fort durch eine Ge-
gend mit sehr vielen Quellbächen, dem Aïn-Bahiri, Aïn-
Sassa und anderen, lauter
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