Clovis Dardentor
um Skorpione und manch-
mal giftige Nattern, die im Tell nur sehr vereinzelt vorkom-
men.
Es wäre überflüssig, hervorzuheben, daß die Mahlzeit
mit guten algerischen Weinen, besonders mit weißem aus
Mascara, begossen wurde, vom Kaffee und Likören zum
Nachtisch ganz zu schweigen.
Um halb 2 wurde der Marsch wieder in der früheren
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Ordnung angetreten. Der Weg führte jetzt tiefer durch den
Wald von Tendfeld und man verlor die Alfakulturen aus
dem Gesicht. Zur rechten zeigten sich die unter dem Na-
men Eisenberge bekannten Höhen, aus denen vorzügliches
Erz gewonnen wird. Unfern davon gibt es noch Schächte
römischen Ursprungs, die schon im Altertum zu seiner För-
derung dienten.
Auf allen die Waldzone der Provinz durchschneiden-
den Pfaden begegnet man Arbeitern, die in den Bergwer-
ken oder den Alfabereitungsanstalten beschäftigt sind. Die
meisten davon zeigen maurischen Typus, doch untermischt
mit Libyern, Berbern, Arabern, Türken und anderen Ori-
entalen, und zwar ebenso unter denen, die in den Tiefebe-
nen, wie unter denen, die in der Bergregion, auf den Hoch-
ebenen und am Rand der Wüste wohnen. Sie kamen hier
truppweise vorüber und von ihnen war kein – von Jean Ta-
connat geträumter – Überfall zu befürchten.
Abends gegen 7 Uhr erreichten die Touristen den Kreu-
zungspunkt der Landstraße mit dem Fahrweg der Alfa-
züchter, der, von der Straße von Sidi-bel-Abbès nach Daya
abzweigend, bis nach den entlegensten Gebietsteilen der
franco-algerischen Gesellschaft fortgeführt ist.
Hier lag auch ein Weiler, wo die Karawane, ihrem Rei-
seplan entsprechend, die Nacht zubringen sollte. Drei recht
wohlerhaltene Häuser waren zu ihrer Aufnahme eingerich-
tet. Nach dem Abendessen suchte jeder sein Lager auf, und
auf die erste Wegstrecke von 12 Lieues folgten nun 10 Stun-
den ungestörter Ruhe.
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Am folgenden Morgen setzte sich die Karawane wie-
der in Bewegung und zog mit der nötigen Schnelligkeit
vorwärts, um im Laufe des Tages die zweite Teilstrecke bis
Daya zurückzulegen.
Vor dem Aufbruch aber hatte Herr Dardentor mit Herrn
und Frau Désirandelle, die er etwas beiseite führte, folgen-
des Gespräch:
»Sagt mir nur, liebe Freunde, wie steht das mit eurem
Sohn . . . und Fräulein Louise? . . . Die Geschichte scheint
mir nicht vom Fleck zu rücken. Zum Teufel, er muß endlich
einmal zum Sturm übergehen . . .«
»Ja, was denken Sie denn, Herr Dardentor«, antwortete
Herr Désirandelle, »er ist so diskreter Natur . . . hält sich in
der Reserve . . .«
»Schöne Reserve!« fiel der Perpignaneser das Wort auf-
greifend ein. »Bleibt mir weg . . . er ist ja noch nicht einmal
in der Landwehr! Er sollte doch immer neben eurem Wa-
gen hertrotten, der Tropf, sollte sich bei den Halteplätzen
um seine Verlobte kümmern, freundlich mit ihr schwatzen
und ihr über ihre gute Haltung und ihr hübsches Aussehen
ein paar Schmeicheleien sagen, mit einem Wort, den gan-
zen Rosenkranz von Nichtsen ableiern, den man unter sol-
chen Umständen einem jungen Mädchen vorbetet. Nein, er
macht aber den Schnabel nicht auf, dieser Satan von Aga-
thokles!«
»Herr Dardentor«, begann da Frau Désirandelle, »wol-
len Sie, daß ich Ihnen etwas sage . . . alles, was ich auf dem
Herzen habe?«
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»Schießen Sie los, geehrte Frau!«
»Nun, es war nicht richtig von Ihnen, die beiden Pariser
mitzubringen!«
»Jean und Marcel?« erwiderte der Perpignaneser. »Ers-
tens hab’ ich sie nicht mitgebracht . . . sie sind ganz allein ge-
kommen! Daran konnte sie doch niemand hindern . . .«
»Desto schlimmer, denn das ist sehr ärgerlich!«
»Ja, warum denn?«
»Weil sich der eine mit Louise mehr zu schaffen macht,
als recht und billig ist. Frau Elissane ist sein Benehmen auch
schon aufgefallen.«
»Welchen meinen Sie denn?«
»Nun, den Herrn Lornans . . . den ich nicht ausstehen
kann.«
»Ich auch nicht«, stimmte Herr Désirandelle ein.
»Wie«, rief Dardentor, »meinen Freund Marcel? Ihn,
den ich den züngelnden Flammen entrissen habe . . .«
Er verschluckte aber diesmal einen Teil des schönen Sat-
zes.»Ich bitt’ euch, liebe Freunde«, fuhr er fort, »da seid ihr
wohl auf dem Holzweg! Marcel Lornans beschäftigt sich
mit unserer Louise nicht mehr, als ein Flußpferd mit einem
Veilchensträußchen! . . . Nach Beendigung unseres Ausflugs
kehren Jean Taconnat und er nach Oran zurück, um bei
den 7. Jägern
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