Club Dead
stumm und starr auf meine Hände zu starren. Wo Bill jetzt nur sein mochte? Wandelte er überhaupt noch auf Erden oder war er ein Häufchen Asche auf irgendeinem Holzkohlegrill? Ich dachte an sein dunkelbraunes Haar und daran, wie dicht und glatt es sich unter meinen Händen angefühlt hatte. Natürlich zerbrach ich mir den Kopf darüber, warum er seine geplante Rückkehr wohl vor mir geheimgehalten haben mochte. So vergingen meinem Eindruck nach ein paar Minuten. Als ich dann aber auf die Uhr über dem Herd sah, mußte ich feststellen, daß ich bereits eine geschlagene Stunde so dagesessen und blind in die Luft gestarrt hatte.
Nun hätte ich wohl eigentlich zu Bett gehen sollen. Es war spät, es war kalt - schlafen gehen wäre jetzt das Normalste von der Welt gewesen. Aber Normalität würde es wohl für mich nie wieder geben. Moment mal, das stimmte doch gar nicht - ohne Bill wäre meine Zukunft doch überhaupt erst total normal!
Kein Bill. Keine Vampire. Kein Eric, keine Pam, kein Bubba.
Keine übernatürlichen Wesen: keine Werwölfe oder Gestaltwandler, keine Mänaden. Auf keinen von denen wäre ich je gestoßen, wenn ich mich nicht mit Bill eingelassen hätte. Wäre er nie ins Merlottes gekommen, dann hätte ich weiter einfach dort gekellnert, mir ohne es zu wollen all die Gedanken angehört, die um mich herum gedacht wurden, den kleinlichen Geiz, die Begierde, die Enttäuschungen, die Hoffnungen und die Phantasien. Die verrückte Sookie, Dorftelepathin von Bon Temps, Louisiana.
Bis Bill kam, war ich Jungfrau gewesen. Nun blieb mir nur noch der Sex mit JB du Rone. JB ist so schön, daß man glatt vergessen kann, daß er dumm ist wie Bohnenstroh. Er hatte so wenige Gedanken im Kopf, daß mir seine Gegenwart fast schon angenehm und erträglich war. JB konnte ich sogar berühren, ohne unangenehme Bilder zu empfangen. Aber Bill - ohne daß ich es mitbekommen hatte, hatte ich die rechte Hand zur Faust geballt, und mit dieser Faust donnerte ich jetzt so nachdrücklich auf den Küchentisch, daß es höllisch wehtat.
Bill hatte mir gesagt, wenn ihm irgend etwas zustieße, sollte ich zu Eric 'gehen' . Ich war mir nie sicher gewesen, was genau er damit gemeint hatte: Sollte Eric dafür sorgen, daß mir ein Erbe ausgezahlt wurde, das Bill mir womöglich hinterlassen hatte? Sollte mich Eric vor anderen Vampiren schützen? Oder sollte ich zu Eric ... nun, sollte ich zu Eric eine ähnliche Beziehung aufnehmen, wie ich sie mit Bill gehabt hatte? Ich hatte Bill deutlich zu verstehen gegeben, daß man mich nicht herumreichen konnte wie einen Weihnachtskuchen.
Aber Eric war bereits zu mir gekommen, also hatte ich noch nicht einmal mehr die Wahl frei zu entscheiden, ob ich Bills letzten Rat befolgen wollte oder nicht.
Langsam verlor ich den roten Faden bei meiner Grübelei. Sehr klar war der mir allerdings die ganze Zeit nicht gewesen.
Ach Bill, wo bist du nur! Verzweifelt vergrub ich das Gesicht in den Händen.
Inzwischen war ich so erschöpft, daß mir der Kopf dröhnte. Auch war es zu dieser frühen Stunde selbst in meiner Küche kalt. Also stand ich auf, um ins Bett zu gehen, auch wenn ich genau wußte, daß ich nicht würde schlafen können. Mein Verlangen nach Bill war von einer so klaren, stechenden Intensität, daß ich mich fragte, ob es nicht vielleicht sogar unnatürlich war, ob mich irgendeine übernatürliche Macht verzaubert hatte.
Meine telepathische Begabung sorgte dafür, daß ich den Künsten der Vampire gegenüber, mit denen sie andere Menschen bezirzten, immun war. Womöglich war ich aber in Bezug auf eine andere Macht anfällig. Vielleicht fehlte mir auch einfach der einzige Mann, den ich je geliebt hatte. Ich fühlte mich wie ausgenommen. Leer, betrogen. Mir ging es schlechter als nach dem Tod meiner Oma, schlechter, als es mir damals ergangen war, als meine Eltern ertrunken waren. Als meine Eltern starben, war ich sehr jung gewesen. Vielleicht hatte ich nicht sofort wirklich verstanden, daß sie nun für immer fort sein würden. Es fiel mir schwer, mich daran zu erinnern, was ich damals empfunden hatte. Beim Tod meiner Großmutter vor wenigen Monaten hatte ich die Rituale, mit denen der Süden den Tod umgibt, als sehr tröstlich empfunden.
Ich hatte außerdem gewußt, daß meine Eltern und meine Großmutter mich nicht aus freien Stücken verlassen hatten.
Plötzlich stand ich an der Küchentür, die Hand bereits an der Klinke, ohne genau mitbekommen zu haben, wie ich dahin gekommen war. Seufzend
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