Club Dead
schaltete ich das Deckenlicht aus.
Ins Dunkel gehüllt lag ich dann schließlich im Bett - erst jetzt fing ich an zu weinen und konnte lange, lange Zeit nicht wieder aufhören. In dieser Nacht schaffte ich es nicht, die guten Dinge aufzuzählen, die mir im Leben schon widerfahren waren. Im Gegenteil: In dieser Nacht lastete jeder einzelne Verlust, den ich je erlitten hatte, zentnerschwer auf mir. Es schien aber auch wirklich so, als hätte ich mehr Pech als die meisten anderen Menschen. Ich machte einen halbherzigen Versuch, mich nicht dem Selbstmitleid zu ergeben, hatte aber keinen Erfolg damit. Untrennbar mit dem Selbstmitleid verwoben war der Schmerz darüber, nicht zu wissen, was Bill zugestoßen sein mochte.
Ich wollte, daß sich Bill in meinem Rücken zusammenrollte. Ich wollte seine kühlen Lippen im Nacken spüren. Ich wollte, daß seine weißen Finger über meinen Bauch glitten. Ich wollte mit ihm reden. Ich wollte, daß er die schrecklichen Verdächtigungen weglachte, die ich empfand, wollte ihm erzählen, wie mein Tag verlaufen war, von dem dummen Problem, das ich mit den Gaswerken hatte, den zusätzlichen Kanälen, die unser Kabelfernsehanbieter ins Programm genommen hatte. Ich wollte ihn daran erinnern, daß er einen neuen Dichtungsring fürs Handwaschbecken in seinem Badezimmer brauchte, wollte ihm sagen, daß mein Bruder Jason nun doch nicht Vater werden würde (was gut war, da er ja auch kein Ehemann war).
Wenn man ein Paar war, dann war das Schönste daran, das Leben mit jemand anderem teilen zu können.
Aber mein Leben war ja offenbar nicht gut genug gewesen, um es auf Dauer teilen zu wollen.
Kapitel 3
Als die Sonne aufging, hatte ich gerade einmal eine halbe Stunde lang wirklich geschlafen. Spontan wollte ich aufstehen und Kaffee kochen, aber dann erschien mir das mit einem Mal völlig sinnlos, weswegen ich einfach im Bett liegenblieb. Einmal im Laufe des Vormittags läutete das Telefon, aber ich ließ es klingeln. Es schellte auch an der Tür, aber ich mochte nicht öffnen.
Irgendwann dann - auch der Nachmittag war schon zur Hälfte verstrichen - fiel mir ein, daß es eine Sache gab, die ich unbedingt sofort erledigen mußte: Bill hatte mir doch etwas aufgetragen für den Fall, daß sich seine Rückkehr verzögern sollte! Dieser Auftrag war Bill sehr wichtig gewesen, er hatte darauf gedrungen, daß ich ihm versprach, ihn auf jeden Fall zu erledigen. Nun war genau die Situation eingetreten, die er mir geschildert hatte.
Ich schlafe seit dem Tode meiner Oma im großen Schlafzimmer, das vorher ihr gehört hatte. Ich stand also auf und schleppte mich über den Flur in mein früheres Zimmer. Ein paar Monate zuvor hatte Bill dort den Boden aus meinem alten Wandschrank entfernt und zur Falltür umgebaut. Unter dem Schrank, im Kriechkeller meines Hauses, hatte er sich ein lichtdichtes Schlupfloch gebaut, das durch diese Falltür zu erreichen war. Bill hatte phantastische Arbeit geleistet: Das Versteck war sicher und von außen nicht einsehbar.
Ehe ich die Schranktür öffnete, überzeugte ich mich, daß mich niemand durch das Fenster beobachten konnte. Bis auf ein exakt angepaßtes Stück des Teppichbodens, der auch den Fußboden im übrigen Zimmer bedeckte, war der Boden im Schrank leer. Ich rollte den Teppich beiseite, fuhr mit dem Taschenmesser unten an den Rändern der Schrankwände entlang und öffnete schließlich die Falltür. Ein Blick in das schwarze Loch genügte: Es war voll gestellt. Bills Computer befand sich dort unten, samt Drucker und Monitor und einem Karton voller Disketten.
Also hatte Bill die nun eingetretene Situation ziemlich genau vorausgesehen und die Arbeit, mit der er gerade befaßt war, sorgsam versteckt, ehe er abgereist war. Dabei hatte er nach wie vor auf meine Treue und Zuverlässigkeit gebaut, wo er selbst sich doch mir gegenüber treulos und abtrünnig verhalten hatte. In alle möglichen Gedanken vertieft schüttelte ich den Kopf, schloß die Falltür und rollte den Teppich wieder an Ort und Stelle, wobei ich genau darauf achtete, daß er an den Ecken richtig anlag. Auf den Schrankboden kamen alle möglichen Dinge, für die ich in der kalten Jahreszeit keine Verwendung hatte: Kartons mit Sommerschuhen, eine Strandtasche voller großer Badelaken, eine meiner zahlreichen Tuben Sonnenschutzcreme, der Liegestuhl, auf dem ich mich sonne. In die hinterste Ecke klemmte ich meinen riesigen Sonnenschirm. Zumindest meiner Meinung nach glich der Schrank so
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