Club Dead
vorstellen."
„Wir versuchen, alle Werwölfe in unserer Gegend zu kennen und mitzubekommen, wenn sie Kinder haben, damit niemand ungewarnt bleibt."
Selbst eine Warnung aus sozusagen zweiter Hand war wohl in diesem Fall besser als überhaupt keine. Zu solch einer Unterredung gebeten zu werden, würde aber wohl im Leben eines jeden Menschen zu einem großen Trauma werden.
In Vicksburg hielten wir, um zu tanken. Ich bot an, die Tankfüllung zu zahlen, aber Alcide versicherte mir ziemlich überzeugend, er könne die Quittung an seine Buchhaltung weiterreichen, da er tatsächlich vorhatte, in Jackson Kunden zu besuchen und die Reise somit als Geschäftsreise galt, deren Kosten sich absetzen ließen. Auch mein Angebot, die Zapfsäule zu betätigen lehnte er ab. Er nahm nur die Tasse Kaffee an, die ich ihm brachte und für die er sich so ausführlich bedankte, als hätte ich ihm einen neuen Anzug geschenkt. Der Tag war kalt und klar, weswegen ich rasch eine kleine Runde um den Autohof drehte, um mir die Beine zu vertreten. Dann kletterte ich wieder in den Pick-up.
Als Nächstes fuhren wir an den alten Schlachtfeldern entlang, deren Anblick mich an einen der anstrengendsten Tage meines gesamten Erwachsenenlebens erinnerte und schon ertappte ich mich dabei, wie ich Alcide vom Lieblingsverein meiner Großmutter erzählte, von den Nachkommen Ruhmreicher Toter, und von der Expedition zu den Schlachtfeldern des Bürgerkriegs, die dieser Verein zwei Jahre zuvor unternommen hatte. Bei diesem Ausflug hatte ich einen der Wagen voller Nachkommen gesteuert, Maxine Fortenberry (die Oma eines guten Freundes meines Bruders Jason) den anderen. Wir hatten uns alles ausführlich angesehen. Jeder Nachkomme hatte einen literarischen Text über die Belagerung dabeigehabt, um ihn den anderen vorzutragen, und da wir gleich zu Anfang beim Besucherzentrum haltgemacht hatten, waren alle bestens mit Kartenmaterial und Andenken ausgerüstet gewesen. Veldas Rezitation von Cannon Depends erwies sich als ziemlicher Fehlschlag, aber wir amüsierten uns trotzdem alle blendend. Wir lasen sämtliche Inschriften auf sämtlichen Denkmälern, wir picknickten direkt neben der frisch restaurierten USS Cairo und fuhren erschöpft und mit Mitbringseln reichlich beladen wieder nach Hause zurück. Sogar ins Isle of Capri-Casino hatten wir uns gewagt, um dort eine Stunde lang mit offenen Mündern dem munteren Treiben zuzusehen und selbst zaghaft ein paar der Spielautomaten mit Münzen zu füttern. Meine Oma hatte den Tag aus ganzem Herzen genossen. Sie war fast so glücklich gewesen wie an dem Abend, an dem sie Bill hatte dazu bewegen können, beim Treffen der Nachkommen zu erscheinen und einen Vortrag zu halten.
„Warum war ihr dieser Vortrag denn so wichtig?" wollte Alcide wissen, der über meine Beschreibung unseres Abendessens am Cracker Barrel hatte lächeln müssen.
„Bill ist Veteran", sagte ich. „Armeeveteran."
„Ja und?" Dann dämmerte ihm langsam, wie das gemeint sein konnte. „Wollen Sie damit etwa sagen, Ihr Freund sei Bürgerkriegsveteran?"
„Jawohl. Er war während des Krieges noch Mensch, seine Wandlung fand erst später statt. Damals hatte er Familie." Irgendwie brachte ich es nicht mehr über mich, Bill als meinen Liebsten zu bezeichnen: Immerhin hatte er vorgehabt, mich zugunsten einer anderen zu verlassen.
„Wer hat ihn denn zum Vampir gemacht?" wollte Alcide wissen. Mittlerweile waren wir in Jackson angekommen, und unser Wagen schlängelte sich durch den Stadtverkehr auf dem Weg zu dem Apartment, das Alcides Firma in dieser Stadt unterhielt.
„Das weiß ich nicht", antwortete ich. „Darüber spricht er nicht."
„Das erscheint mir ein wenig merkwürdig, Ihnen nicht?"
Offen gestanden mußte ich ihm recht geben. Andererseits ging ich davon aus, daß diese Information etwas sehr Persönliches war, etwas, wovon Bill mir, sollte er es so wollen, bestimmt irgendwann Mitteilung machen würde. Ich wußte bereits, daß die Beziehung zwischen einem älteren Vampir und dem Nachkömmling, den er 'herüberbringt' , eine sehr starke ist.
„Ich nehme an, Bill ist nicht mehr mein Freund", mußte ich eingestehen. „Auch wenn 'Freund' ein ziemlich harmloser Ausdruck ist für das, was Bill für mich darstellt."
„Ach ja?"
Ich errötete. Ich hätte das wohl lieber nicht sagen sollen. „Aber finden muß ich ihn trotzdem", ergänzte ich.
Daraufhin schwiegen wir beide eine Weile. Ich sah aus dem Fenster: Dallas war die letzte Stadt gewesen,
Weitere Kostenlose Bücher