Club Dead
bekannt. „Gib ihn mir mal."
„Warum?" Ich kann ja ziemlich viel väterliche Bevormundung vertragen, aber inzwischen hing sie mir reichlich zum Halse heraus.
„Reich einfach das verdammte Telefon weiter!" Sam flucht so gut wie nie, also verzog ich nur das Gesicht, um zu zeigen, was ich von seiner Bitte hielt, und gab den Hörer gehorsam an Alcide weiter, wonach ich wütend hinaus ins Wohnzimmer stapfte, um dort aus dem Fenster zu sehen. Wie ich gedacht hatte: Vor meinem Haus stand ein Dodge Ram mit extralanger Fahrerkabine. Ich hätte schwören können, daß dieser Pick-up mit allen nur irgend verfügbaren Extras ausgestattet war.
Meinen Koffer auf Rädern hatte ich bereits nach draußen gerollt. Meine Umhängetasche lag auf einem Stuhl neben der Tür - ich mußte also lediglich noch die dicke Winterjacke überziehen. Ich war froh, daß mich Alcide auf die Kleiderordnung dort in der Nachtbar hingewiesen hatte. Von allein wäre ich nicht auf die Idee gekommen, etwas Schickes einzupacken. Diese dämlichen Vampire! Bescheuerte Kleiderordnung!
Ich war verschnupft, reichlich verschnupft!
Während die beiden Gestaltwandler - so nahm ich wenigstens an - ihr Gespräch von Mann zu Mann führten, begab ich mich zurück in den Hausflur und ging im Geist noch einmal meinen Kofferinhalt durch. Dann warf ich einen Blick durch die offene Schlafzimmertür: Den Telefonhörer am Ohr hockte Alcide auf der Bettkante, auf der zuvor auch ich gesessen hatte. Auf eine merkwürdige Art wirkte er dort sehr zu Hause.
Ruhelos trabte ich zurück ins Wohnzimmer und starrte erneut aus dem Fenster. Vielleicht führten die beiden ja auch nur ein Gespräch von Gestaltwandler zu Gestaltwandler. Immerhin hatten beide dieselben Wurzeln, auch wenn Alcide in Sam (der sich für gewöhnlich in einen Collie verwandelte, allerdings nicht auf diese Gestalt beschränkt war) wohl eher ein Leichtgewicht sehen mochte. Sam wiederum, nahm ich an, war Alcide gegenüber ein wenig mißtrauisch: Werwölfe genießen generell keinen guten Ruf.
Nun kam Alcide den Flur herunter, wobei seine Schritte in den schweren Sicherheitsschuhen auf meinem Holzfußboden ordentlich dröhnten. „Ich habe versprochen, mich gut um Sie zu kümmern", verkündete er. „Nun können wir nur hoffen, daß ich mein Versprechen auch halten kann." Letzteres sagte er, ohne dabei zu lächeln.
Ich hatte mich gerade so schön in meinen kleinen Wutanfall hineingesteigert - doch Alcides Worte klangen derart nüchtern, daß die ganze heiße Luft aus meinem Körper wich wie aus einem Luftballon, den man mit einer Nadel angepiekst hat. Im komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Vampiren, Werwölfen und Menschen gibt es ziemlich viel Spielraum dafür, daß irgendwo irgend etwas schiefgeht. So war mein eigener Plan für das weitere Vorgehen recht nebulös und das Druckmittel, das die Vampire Alcide gegenüber in der Hand hatten, auch nicht wirklich hundertprozentig. Vielleicht war Bill ja freiwillig verschwunden. Vielleicht gefiel es ihm ganz gut, von diesem König gefangengehalten zu werden, solange auch die Vampirdame Lorena anwesend war. Vielleicht würde er fuchsteufelswild werden, wenn er mitbekam, daß ich ihn suchte.
Vielleicht war er aber auch bereits vernichtet.
Ich schloß die Tür hinter mir ab und folgte Alcide, der gerade mein Gepäck in der erweiterten Fahrerkabine des Ram unterbrachte.
Von außen wirkte der Pick-up blitzblank und glänzend, innen jedoch war er chaotisch und vollgemüllt, wie eben Fahrzeuge sind, deren männliche Besitzer einen Großteil ihres Arbeitslebens auf der Straße zubringen: Ein Bauhelm lag dort herum, dazu Rechnungen, Kostenvoranschläge, Visitenkarten, Stiefel, ein Erste-Hilfe-Kasten. Zumindest gab es keine vergammelten Essensreste. Während wir meine holprige Auffahrt hinunterpolterten, hob ich eine Rolle Hochglanzbroschüren vom Boden auf. Die Broschüren wurden von einem Gummiband zusammengehalten, und ihre Titelseite zierte die Aufschrift: Herveaux und Sohn: das Einmaleins der akkuraten Landvermessung. Ich zog die oberste Broschüre hervor, und während Alcide die kurze Strecke gen Osten zur Autobahn (die uns nach Monroe, Vicksburg und schließlich Jackson bringen sollte) zurücklegte, las ich sie sorgfältig durch.
Ich stellte fest, daß Vater und Sohn Herveaux eine Landvermesserfirma ihr Eigen nannten, die in zwei Bundesstaaten operierte. Es gab Büros in Jackson, Monroe, Shreveport und Baton Rouge. Das Hauptbüro, hatte Alcide gesagt, befand sich
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