Club Dead
Jackentasche und steckte sie ein.
„Sehen Sie? So gut wie neu!" verkündete ich kurz darauf strahlend. Dann half ich der Frau, sich wieder anzuziehen.
„Vielen Dank." Janice schlug einen allzu munteren Ton an. Bestimmt hatte sie mitbekommen, daß irgend etwas nicht stimmte.
„Gern geschehen." Nichts hätte mein Lächeln trüben können.
„Natürlich", äußerte sich nun auch die reiche Frau, wobei nicht ganz klar war, wie sie das meinte. „Bis nächste Woche dann, Janice."
Darauf stolzierte sie auf hohen, klappernden Absätzen zur Tür, ohne sich ein einziges Mal umzusehen. Als sie außer Sichtweite war, griff ich in meine Tasche und streckte nun Janice meine geschlossene Hand hin. Sie streckte daraufhin ebenfalls die Hand aus, ich öffnete die Faust und ließ die Ohrringe in ihre offene Handfläche gleiten.
„Allmächtiger!" stöhnte Janice, wobei sie mit einem Schlag fünf Jahre gealtert schien. „Das hatte ich doch glatt vergessen! Ich habe etwas in ihrer Reichweite liegen lassen."
„Dann macht sie das also immer?"
„Ja! Weswegen wir jetzt auch schon der fünfte Salon sind, den sie in den letzten zehn Jahren mit ihrer Kundschaft beehrt. Die anderen haben ihre Macke immer eine Weile ertragen, aber dann ist jedes Mal etwas passiert, das zu weit ging, so daß es einfach zu viel wurde, um es schlicht zu ignorieren. Dabei ist sie wirklich reich und gebildet. Sie ist anständig erzogen. Ich weiß nicht, warum sie so etwas tut."
Achselzuckend blickten wir einander an: Die Launen der reichen akademischen Oberschicht überstiegen unser Begriffsvermögen. Zwischen uns herrschte einen Moment lang völlige Übereinstimmung. „Ich hoffe, sie bleibt Ihnen als Kundin erhalten", sagte ich dann. „Ich habe versucht, taktvoll vorzugehen."
„Was ich sehr zu schätzen weiß. Aber die Ohrringe zu verlieren hätte mir weit mehr ausgemacht als der Verlust dieser Kundin. Mein Mann hat mir den Schmuck geschenkt. Die Ohrringe kneifen leider immer, wenn ich sie länger getragen habe, und ich habe nicht weiter nachgedacht, als ich sie vorhin herausnahm."
Nun hatte sie sich aber wirklich genug bei mir bedankt, nun reichte es. Also zog ich meinen Mantel an. „Ich werde mich mal auf den Weg machen", sagte ich. „Es war wunderschön, so verwöhnt zu werden. Ich habe es sehr genossen."
„Bedanken Sie sich bei meinem Bruder", antwortete Janice, die mich nun wieder strahlend und unbefangen anlächelte. „Immerhin haben Sie ja auch gerade bezahlt." Bei diesen Worten hielt sie die Ohrringe hoch.
Auch ich lächelte immer noch, als ich aus der Wärme und der freundlichen Atmosphäre des Salons hinaus auf die Straße trat, aber schon bald schwand meine gute Laune wieder. Das Thermometer war gesunken, und der Himmel verfinsterte sich von Minute zu Minute mehr. Ich bewältigte den Rückweg zum Apartmenthaus im Laufschritt. Nach einer ziemlich frösteligen, ungemütlichen Fahrt im quietschenden Fahrstuhl war ich froh, endlich den Schlüssel, den Alcide mir überlassen hatte, ins Schloß der Wohnungstür stecken und in die Wärme treten zu können. Kaum angekommen, knipste ich eine Lampe an und schaltete den Fernseher ein, denn mir war ein wenig nach Gesellschaft zumute. Dann kauerte ich mich auf dem Sofa zusammen und überdachte die Freuden, die der Nachmittag mir beschert hatte. Bald war ich zumindest in Ansätzen aufgetaut, mußte aber zu meinem Bedauern feststellen, daß Alcide wohl den Thermostat der Heizung heruntergedreht hatte: Zwar war es in der Wohnung merklich wärmer als draußen, die Luft war aber dennoch eher kühl als wirklich warm.
Das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloß drehte, weckte mich aus meinen Tagträumen: Alcide trat ein, unter dem Arm ein Klemmbrett mit Bürounterlagen. Er wirkte müde und mit den Gedanken ganz woanders, aber seine Miene entspannte sich, als er mich dort sitzen und warten sah.
„Janice hat mich schon angerufen und mir erzählt, daß Sie bei ihr im Salon waren", sagte er zur Begrüßung, wobei seine Stimme mit jedem Wort wärmer klang. „Sie hat mich gebeten, mich noch einmal ganz herzlich in ihrem Namen bei Ihnen zu bedanken."
Ich zuckte die Achseln. „Ich weiß meine Frisur und die Nägel auch sehr zu schätzen", sagte ich. „Ich habe das zum ersten Mal gemacht."
„Sie waren noch nie zuvor in einem Schönheitssalon?"
„Meine Großmutter ist von Zeit zu Zeit hingegangen. Mir haben sie dort mal die Haarspitzen gekürzt. Ein einziges Mal."
Er wirkte so verdattert,
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