Club Dead
ich an diesem Morgen gebraten hatte, lackierte mir Fuß- und Fingernägel schreiend rot, passend zu dem Kleid, das ich am Abend tragen wollte. Jarvis, der einzige Mann im Laden, besaß Finger, die sich so leicht und schnell bewegen konnten wie Schmetterlinge. Er war dünn wie ein Grashalm, sein Haar platinblond aus der Tube. Während er mir die Haare wusch und dann auf Lockenwickler drehte, schnatterte er ununterbrochen fröhlich auf mich ein. Dann machte er es mir unter der Trockenhaube bequem. Nur einen Stuhl von der reichen Dame entfernt saß ich dann dort, und man behandelte mich ebenso aufmerksam wie sie. Ich erhielt eine Ausgabe der Zeitschrift People, in der ich blättern konnte, und Corinne brachte mir eine Cola. Wie schön es war, von Menschen umgeben zu sein, die mich alle förmlich beknieten, mich doch bitte ganz entspannt und wohl zu fühlen!
Als die Uhr an der Trockenhaube dann endlich verkündete, meine Haare seien trocken, fühlte ich mich fast schon geröstet. Jarvis holte mich unter der Haube hervor, um mich wieder auf dem Stuhl in seinem Arbeitsbereich zu plazieren. Nachdem er sich mit Janice beraten hatte, schnappte er sich den heißen Lockenstab, der in einer Halterung an der Wand hing und machte sich mit äußerster Akribie daran, mein Haar Strähne für Strähne zu offenen Locken zu drehen, die mir den Rücken hinabrannen. Danach sah ich umwerfend aus. Es macht glücklich, wenn man umwerfend aussieht. Seit Bills Verschwinden hatte ich mich nicht mehr so gut gefühlt.
Janice nutzte jede freie Minute, um zu mir zu kommen und ein wenig mit mir zu plaudern. Ich ertappte mich dabei, daß ich fast schon vergaß, daß ich ja gar nicht wirklich Alcides neue Freundin war, daß ich ja gar nicht wirklich unter Umständen sogar Janices Schwägerin würde werden können. Es geschah wahrlich nicht oft, daß mich jemand so warmherzig aufnahm und akzeptierte.
Ich verspürte den dringenden Wunsch, mich irgendwie für diese liebenswürdige Behandlung zu revanchieren, sollte sich je Gelegenheit dazu bieten - als eine solche Gelegenheit sich auch bereits bot. Jarvis' Arbeitsplatz war genauso angeordnet wie der Janices, nur spiegelverkehrt, so daß ich Rücken an Rücken mit der vornehmen Kundin saß, an der Janice arbeitete. Als ich dann einmal kurz mir selbst überlassen war, weil Jarvis einen bestimmten Haarfestiger holen wollte, den ich seiner Meinung nach einmal ausprobieren sollte, beobachtete ich (im Spiegel), wie Janice ihre Ohrringe aus den Ohren löste, um sie in einer kleinen Porzellanschale zu deponieren. Was danach geschah, hätte ich vielleicht gar nicht mitbekommen, hätte ich nicht im Kopf der reichen Dame einen ganz klaren, habgierigen Gedanken aufblitzen 'sehen' , ein einfaches, aber aufschlußreiches: „Aha!". Dann entfernte sich Janice, um ein Handtuch zu holen, und ich konnte im Spiegel mitverfolgen, wie die silberhaarige Kundin mit einer geschickten Handbewegung die Ohrringe von der Schale fegte und in ihre Jackentasche steckte, während Janice ihr den Rücken zugewandt hielt.
Als ich dann fertig frisiert war, hatte ich mir genau zurechtgelegt, wie ich mit der Sache umgehen würde. Ich wartete nur noch darauf, mich von Jarvis verabschieden zu können, der gerade telefonierte, und zwar mit seiner Mutter, wie ich den Bildern in seinem Kopf entnahm. Nachdem ich mich bei ihm bedankt hatte, glitt ich von meinem Vinylstuhl und trat hinüber zu der reichen Dame, die gerade damit beschäftigt war, einen Scheck für Janice auszustellen.
„Entschuldigen Sie", sagte ich, das Gesicht zu einem strahlenden Lächeln verzogen. Janice wirkte durch mein Auftauchen leicht verwirrt, die elegante Frau starrte mich hochnäsig an. Diese Kundin ließ eine Menge Geld hier im Salon; Janice wollte sie bestimmt höchst ungern verlieren. „Sie haben einen kleinen Klecks Gel da unten auf der Jacke", teilte ich der Dame mit. „Das habe ich im Handumdrehen wieder draußen, wenn Sie die Jacke rasch einmal ablegen."
Das konnte sie nun wirklich schlecht ablehnen. Auch hielt ich die Jacke schon an den Schulternähten und zog sanft daran. Ganz automatisch half sie mir, sich das rotgrün karierte Jackett über die Arme zu streifen. Ich verschwand damit hinter dem Vorhang, der die Waschbecken für die Haarwäsche verbarg, wo ich dann ein wenig an einem völlig einwandfreien Stück Stoff herumwischte, um der Sache Glaubwürdigkeit zu verleihen. Natürlich holte ich bei der Gelegenheit auch gleich die Ohrringe aus der
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