Club der gebrochenen Herzen
probieren gern die Kleider von der anderen aus.« Sie seufzte. »Es ist so schön bei ihr da draußen. Die Hühner glucken herum, die Aussicht ist herrlich. Selbst bei Regen.« Sie leerte eine Tüte Kartoffeln ins Spülbecken. »Vermisst du London? Das Theater? Deine alten Kumpels?«
»Seltsam genug, fast überhaupt nicht.« Sein ganzes erwachsenes Leben hindurch hatte es ihn immer wieder irritiert, wie leicht er Vergangenes abstreifte. Das hatte bestimmt mit seinenEhen zu tun. Jede brachte ihren neuen Schauplatz, ihren neuen Freundeskreis. Mit jeder Ehe änderte man sich ein kleines bisschen. Außerdem war er Schauspieler und bekam mit jedem Set einen neuen engen Familienverband, den er wieder verlor, wenn es woandershin ging. Und traf man sich zufällig wieder, nannte er alle Welt Darling – die Namen hatte er nicht mehr parat. Unbeständigkeit schien das einzige beständige Element in seinem Leben zu sein.
India wusch die Kartoffeln. »Es ist nur … ich habe mich gefragt, wie es wäre, hier zu leben. Was man vermissen würde.«
Buffy starrte sie an. »Du denkst doch nicht darüber nach, oder?«
India errötete im Neonlicht. »Die Sache ist …«
»Was für eine Sache?«
»Nichts.«
»India?«
» Nichts! «
Weiter hinten schlug die Eingangstüre zu. Voda kam in die Küche.
»Wo bist du gewesen?«, fragte India.
»Habe mit Harold Milbenpuder gekauft.« Sie öffnete den Backofen. »Wie macht sich der Kuchen?«
Eine Stunde später versammelten sich die Kursteilnehmer zum Tee im Esszimmer. Den Kuchen gab es zur Feier des neuen Babys. Buffy allerdings konnte sich nicht konzentrieren. Was hatte India ihm zu sagen versucht? Etwas vibrierte unter der Oberfläche, brachte Unruhe in den ganzen Tag. Nachdem sie die Tassen für einen Toast gehoben hatten, winkte er Lavinia zu sich auf den Flur.
»Ich dachte mir, ich müsste es Ihnen sagen«, flüsterte er, »einige Sachen sind abhandengekommen. Meine BAFTA -Maske und eine Flasche Rum. Ich frage mich, ob jemand vom Kurs erwähnt hat – verstehen Sie –, dass irgendetwas verschwunden ist. Persönliche Gegenstände, so in der Art.«
Schweigen. Bridies Standuhr schlug fünf.
»Ich wollte eigentlich nichts sagen«, setzte Lavinia zögernd an. »Schließlich war es vor langer Zeit, und sie hat ihre Schuld der Gesellschaft gegenüber beglichen.«
»Was denn?«, fragte Buffy. »Raus mit der Sprache, Frau.«
Sie blickte ihn pikiert an.
»Entschuldigung«, sagte er. Er hatte vergessen, dass sie eine Baroness war.
Lavinia holte Luft. »Eine der Damen hier, Mary Taylor, ist eine überführte Ladendiebin.«
Buffy wusste, von wem sie sprach: ein schüchternes, harmloses Wesen, irgendwie unpassend angezogen in Hemdblusenkleid und Rüschenbluse; die Kleidung von jemandem, der die Rolle einer Frau spielt und es nicht ganz hinkriegt, wie ein Transvestit. Sie bewohnte den Honeysuckle Room in der Mansarde.
Nach dem Tee marschierten alle zur nächsten Unterrichtseinheit. Als Buffy sicher war, dass die Luft rein war, stieg er ins obere Stockwerk. Er war traurig und hatte Angst, Beweise für ihr Vergehen zu finden; was sollte er dann tun? Die Polizei rufen? Er hasste Konfrontationen. Er hasste aber auch die Vorstellung, dass ihn jemand unter seinem eigenen Dach ausnutzte. Vertrauen und Großzügigkeit waren die Prinzipien in seiner Pension. Voda dachte, er sei verrückt, den Wein zu den Mahlzeiten zu spendieren, aber es erschien ihm zu kompliziert, die Flasche eines jeden Gastes zu kennzeichnen oder zusammenzuzählen, was getrunken worden war. Außerdem bekam er den Alkohol zum Niedrigstpreis, nachdem er Costcutter für einen Abholmarkt nahe dem Autobahn M5-Anschluss aufgegeben hatte – ein abbröckelnder Fertigbau in einem Niemandsland von Containerfahrzeugen und stehengelassenen Einkaufswägen.
Der Honeysuckle Room war winzig, das ehemalige Zuhause von Generationen einsamer Hausmädchen. Er hatte eine Dachschräge und einen rußgefleckten Miniaturkamin wie in einem Puppenhaus. Sonnenlicht fiel auf das Einzelbett.
Buffy schloss die Türe hinter sich und schaute sich um. Ein Laptop stand offen auf einem Stuhl. Eine keusche weiße Unterhose hing zum Trocknen über dem Bettpfosten. Auf der Kommode stand ein kleiner Krug, aus der Küche entwendet, worin Mary Taylor ein Sträußchen Bergastern arrangiert hatte, wahrscheinlich in seinem Garten gepflückt. Er war sich unschlüssig, ob das rührend oder eher eine Frechheit war. Auf dem Nachttisch ein Exemplar von Dazu
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