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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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sie und ließen sie allesSchlechte, Kalte, Schmutzige vergessen. Nichts Schlimmes war geschehen. Nichts Schlimmes.
    Die Paare zogen sich nach und nach zurück und verteilten sich über das geräumige zweistöckige Haus. Katja und Gleb blieben allein zurück. Sie standen nicht mehr im Wohnzimmer, sondern bereits in dem kleinen Schlafzimmer von Glebs Eltern, die Musik war längst verklungen, sie umarmten sich, eng aneinander gepreßt, während draußen langsam große Schneeflocken fielen. Bevor sie noch recht zur Besinnung kamen, küßten sie sich schon, und Glebs geschickte Finger zogen die Spangen aus Katjas Haar, öffneten den Reißverschluß des Seidenkleides, und seine weichen Lippen glitten heiß über Katjas langen Hals und ihre zarten Schlüsselbeine.
    Als Katja die Augen öffnete, war es draußen hell – ein sonniger, frostiger Tag. Von den Gästen waren einige schon gefahren, andere zu einem Spaziergang aufgebrochen. Im Haus war es still. Katja wollte aufstehen, sich waschen, Kaffee kochen, aber Gleb zog sie an sich, und alles wiederholte sich, doch nun ohne die fieberhafte nächtliche Hast, ohne Angst und Zweifel.
    »Wie dumm wir beide doch waren«, flüsterte Gleb, »gut, daß wir es noch rechtzeitig gemerkt haben.«
     
    Jetzt, acht Jahre später, als sie im ungewissen Licht der Morgendämmerung in der sauberen, kalten Küche saß, wurde Katja bewußt, daß sie sich an diese erste gemeinsame Nacht, an dieses Neujahrsfest, deutlicher erinnerte als an alle folgenden Jahre ihres schwierigen Ehelebens. Gut so – sollte alles Schmutzige, Häßliche, was später zwischen ihnen war, verschwinden und in Vergessenheit geraten.
    Katja stand auf und warf sich einen großen gestrickten Schal über den Bademantel. Gleb war tot, er würde nie zurückkehren. Dort stand noch seine Lieblingstasse, er hatte sie aus England mitgebracht, aus der Baker Street, undnur aus ihr seinen Tee getrunken. In der Diele im Spiegelschrank hingen seine Sachen. Das Kopfkissen im Schlafzimmer hatte noch seinen Geruch bewahrt, und im Gitter des Rasierapparates steckten seine kurzen harten Bartstoppeln. Wie viele rührende Kleinigkeiten, wieviel alltäglichen Krimskrams hinterläßt ein Mensch! Das Herz wird einem warm und beginnt schmerzhaft zu zucken – wenn man diesen Menschen geliebt hat, wenn man ihm das Schlechte verziehen hat und sich nur an das Gute erinnert.
    Katja dachte plötzlich, daß es viel leichter sei, einen Toten zu lieben und ihm zu verzeihen als einem Lebendigen.

Kapitel 3
    Ljalja Rykowa schlüpfte leise unter der Bettdecke hervor, bibberte in der morgendlichen Kälte und schlich barfuß ins Bad. Der aristokratische Mafioso schnarchte nicht nur, er war auch noch ein Frischluftfanatiker und riß die ganze Nacht die Fenster weit auf. Dabei war es schon September, und bis zum Morgen war das Zimmer so ausgekühlt, daß der armen Ljalja die Zähne klapperten.
    Fürst Nodar schmatzte im Schlaf und schnarchte ganze Tonleitern. Die jammervollen, heiseren Töne waren sogar im Badezimmer zu hören und übertönten das Geräusch des rauschenden Wassers. Ljalja verzog angewidert das Gesicht, riegelte die Tür ab und reckte sich vor dem riesigen Spiegel, der vom Boden bis zur Decke reichte und vom heißen Dampf schon leicht beschlug. Durch den feinen Dunst sah Ljalja noch schöner, noch verführerischer aus.
    Ein echter Striptease unterscheidet sich von Pornographie durch das Flair des Geheimnisvollen. Aber wem sollte sie das erklären? Den groben, gierigen Kerlen, die zu sabbern begannen, wenn sie Ljaljas appetitlichen Körper betrachteten? Was bedeutete ihnen die raffinierte, exquisiteSchönheit des erotischen Spiels, das so alt ist wie die Welt? Sie sind schon zufrieden, wenn du mit den Hüften wackelst, deinen Busen schwingen läßt, den Kopf in den Nacken wirfst und Ekstase mimst – dann greifen sie bereitwillig in die Tasche und zahlen.
    Ljalja kletterte ins heiße Schaumbad und seufzte tief. Das Leben war ungerecht. Soviel Abgeschmacktes ringsum! Warum mußte sie, die schöne Ljalja mit der feinen Seele, sich jeden Abend vor groben Ganoven ausziehen? War sie etwa weniger wert als alle diese Schönheitsköniginnen, Supermodels und Filmstars? Bestimmt nicht.
    Sie stellte sich gern vor, sie sei auf einem Ball, in einem Kleid von Dior, umringt von Milliardären, Diplomaten, Präsidenten, Hollywoodstars und anderen Berühmtheiten. Ljalja schreitet vorbei, in der einen Hand ein Champagnerglas, in der anderen eine Zigarettenspitze.

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