Club Kalaschnikow
Wachmann im korrekten Anzug führte Major Kusmenko in das Büro des Geschäftsführers.
Ein kleiner, glattrasierter dicker Mann von etwa vierzig Jahren erhob sich ächzend aus einem Drehsessel und streckte seine mollige feuchte Hand aus.
»Grischetschkin, Felix Eduardowitsch«, stellte er sich mit einem gramvollen Seufzer vor. »Kaffee? Tee?«
»Danke, wenn es geht, Kaffee.«
Kusmenko nahm in einem gepolsterten Ledersessel Platz.
Geräuschlos erschien eine schöne langbeinige Sekretärin. Grischetschkin flüsterte ihr rasch etwas ins Ohr, das Mädchen nickte und verschwand. Der Geschäftsführer richtete den Blick auf den Major. In seinen kleinen runden Augen war aufrichtige Trauer zu lesen und die Bereitschaft, jede Frage zu beantworten.
»Sagen Sie, Felix Eduardowitsch, wann haben Sie Kalaschnikow das letzte Mal gesprochen?« begann Kusmenko.
»Kurz vor der Tragödie.« Grischetschkin seufzte schwer, mit asthmatischem Pfeifen. »Gerade mal eine Stunde vorher. Wir haben uns bei der Theaterpremiere gesehen, und danach beim Imbiß am Büfett.«
»Haben Sie an seinem Verhalten in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches bemerkt? Hatte er mit jemandem Streit?«
»Nichts Ernsthaftes. Kleinigkeiten.«
»Nämlich?«
»Bei der Premiere hatte er eine ziemlich heftige Auseinandersetzung mit einem Verehrer seiner Frau. Aber das hat nichts mit der Sache zu tun.«
»Seien Sie so gut und erzählen Sie alles, und wir beurteilen dann, ob es mit der Sache zu tun hat oder nicht«, sagte der Major freundlich lächelnd.
»Aber ich weiß eigentlich gar nichts«, erwiderte Grischetschkin widerwillig. »Irgend so ein junger Kerl ist das, ein Fan von Katja, nicht besonders aufdringlich, aber hartnäckig. Er taucht auf allen Premieren und bei vielen Aufführungen auf, immer mit Blumen. Dieses Mal war Gleb etwas betrunken und hat sich mit ihm angelegt. Das ist schon öfter vorgekommen und hat nie zu etwas geführt.«
»Was heißt das?« fragte der Major verständnislos.
»Dieser Kerl dreht sich schweigend um und geht. Und genauso war es bei dieser Premiere. Gleb sagte etwas Grobes, der Verehrer ging einfach weg.«
»Und Jekaterina Filippowna?«
»Die war nicht in der Nähe. Alles passierte in der Pause am Büfett. Sie hat sich auch sonst nie eingemischt, hat diesen Mann nur höflich begrüßt, gelächelt, manchmal seine Blumen entgegengenommen. Wenn Gleb zu ausfallend wurde, hat sie gesagt, ›hör auf, beruhige dich‹. Mehr nicht.«
»Und in welcher Beziehung steht sie selbst zu diesem hartnäckigen Verehrer?«
»In gar keiner. Sie ist eine Künstlerin, eine Primaballerina. Die haben immer Verehrer.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»So zirka fünfunddreißig bis vierzig, mittelgroß. Aber so genau hab ich ihn mir nie angesehen! Außer mir haben ihn noch viele andere bemerkt, fragen Sie doch bei denen nach. Was geht mich das alles an?«
»Gut«, stimmte der Major bereitwillig zu, »ich frage die anderen.«
»Am besten, Sie beschäftigen sich gar nicht mit diesem Blödsinn.« Grischetschkin zuckte seine rundlichen Schultern. »Gleb ist von einem Auftragskiller ermordet worden, das ist offensichtlich.«
»Offensichtlich?« Der Major hob verwundert die Brauen. »Das heißt, der Mord an Kalaschnikow kam für Sie nicht weiter überraschend?«
»Nein«, Grischetschkin verzog das Gesicht, »Sie mißverstehen mich. Selbstverständlich hat das niemand erwartet, alle sind schockiert. Ich auch. Aber Sie müssen doch zugeben, daß heutzutage der Auftragsmord an einem Geschäftsmann, noch dazu einem wohlhabenden, schon etwas Alltägliches ist.«
»Da stimme ich nicht zu«, sagte der Major kopfschüttelnd, »Mord überhaupt, egal an wem, darf man niemals als etwas Alltägliches ansehen. Sie sind also überzeugt, daß es ein Auftragsmord war?«
»Sie nicht?« Grischetschkin runzelte die Stirn. »Haben Sie Gründe, daran zu zweifeln?«
»Wir sind verpflichtet, alle denkbaren Theorien zu überprüfen.«
»Mein Beileid.« Grischetschkin lächelte matt. »Ich persönlich kann mir auf Anhieb ungefähr ein Dutzend verschiedene Theorien vorstellen.«
»Zum Beispiel? Verraten Sie mir wenigstens eine.«
»Auf keinen Fall.« Grischetschkin schüttelte energisch den Kopf. »Da halte ich mich lieber zurück.«
»Warum?«
»Es wäre unverantwortlich, nicht nur Ihnen gegenüber, sondern auch gegenüber vielen meiner Bekannten. Ich kann Vermutungen anstellen, raten, aber das ist, da werden Sie mir zustimmen, kein hinreichender Anlaß,
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