Club Kalaschnikow
gerade eine schwere Grippe hinter sich und mußte unbedingt mal an die frische Luft. Da ist mir nichts Besseres eingefallen als hierherzufahren, verzeih mir dummem Schaf. Aber wir werden euch nicht stören.«
Man sah Gleb deutlich an, daß er über das unerwartete Auftauchen seiner jugendlichen Stiefmutter äußerst verärgert war. Olga fühlte sich unbehaglich. Wer möchte schon gern ein ungebetener Gast auf einer fremden Datscha sein? Vor lauter Nervosität bekam sie die Skibindung nicht auf, die Metallklammer hatte sich verkeilt.
»Gleb, sei der jungen Dame behilflich, du bist doch ein Gentleman«, sagte Margarita lächelnd, »und gebt euch doch endlich die Hand. Olga, das ist Gleb Kalaschnikow, mein charmanter, wohlerzogener, gastfreundlicher Stiefsohn. Gleb, das ist Olga Guskowa, meine alte Freundin aus der Schulzeit.«
»Angenehm«, brummte Gleb, sprang von der Treppe herunter, hockte sich vor Olga auf den Boden und zog an der Klammer des Skis. »Ja, die hat sich gründlich verklemmt. Da bleibt nur eins übrig – den Fuß amputieren.«
Sie hob ihre erschrockenen blauvioletten Augen zu ihm empor. Nach der Grippe war ihr Gesicht schmaler, fast durchsichtig geworden. Die Augen wirkten riesig, phantastisch,auf den Wangen schimmerte eine zarte Röte. Gleb stieß einen leisen Pfiff aus. Er hatte schon viele schöne Frauen gesehen, aber diese hatte etwas Besonderes, wie von einem anderen Planeten. Und sie war völlig ungeschminkt, alles an ihr war Natur.
»Entschuldigen Sie«, murmelte sie, »ich fahre gleich ab.«
»Aber nicht doch!« Er schnürte ihr geschickt die Skistiefel auf, zog sie ihr mitsamt den Skiern aus, hakte sie unter und führte sie feierlich ins Haus.
Noch vor einer Stunde war er außer sich gewesen, als er Margaritas schwarzen Opel vor dem Haus erblickt hatte. Er konnte es nicht ausstehen, wenn jemand seine Pläne durchkreuzte. Aber jetzt löste sein Zorn sich in Luft auf. Er schenkte Olga Sekt ein, bewirtete sie mit frischen Erdbeeren und Kirschen, küßte ihr die Hand, machte ihr ein Kompliment nach dem anderen, erzählte Witze und spielte den Clown, kurz, er war ungeheuer aufgekratzt.
Aus den geschäftlichen Gesprächen wurde nichts. In der Gesellschaft der beiden schönen Frauen verwandelte sich der seriöse Männerabend in eine fröhliche Party. Margarita gab sich unwiderstehlich, flirtete heftig mit den beiden Bierbrauern aus Bremen und machte dem windigen Journalisten, der für die Werbung in einer soliden Bankerzeitschrift verantwortlich war, schöne Augen. Jeder der anwesenden Männer spürte ihre besondere Aufmerksamkeit, was der Eigenliebe schmeichelte, ohne große Illusionen zu wecken.
Olga verlor völlig den Kopf. Sie war zum ersten Mal im Leben in einem solchen Haus, in einer solchen Gesellschaft, aß zum ersten Mal in ihrem Leben im Januar auf einer verschneiten Datscha frische Erdbeeren und Kirschen. Die Schwäche nach der Grippe, die lange Skifahrt, die einlullende Wärme des Kamins, der Sekt mit dem süßen Likör taten ihre Wirkung. Gegen Mitternacht konnte sie kaum noch die Augen offenhalten. Die weichen Lippen desfröhlichen Gastgebers flüsterten ihr etwas ins Ohr, streiften wie zufällig ihre Wange, ihren Hals. Seine Finger strichen zärtlich durch ihr dichtes, seidiges Haar, und ihr schwirrte der Kopf immer mehr.
»Denk bitte daran, sie ist noch Jungfrau«, flüsterte Margarita ihm in einem passenden Moment rasch zu.
»Du machst wohl Witze.« Gleb grinste spöttisch. »Dreiundzwanzig, eine solche Fassade und Jungfrau?«
»Ich hab dich gewarnt.« Margarita blinzelte ihm zu und lachte im selben Augenblick lauthals über einen plumpen Witz des Bremer Bierbrauers.
Als Olga sich am nächsten Morgen nackt im Bett mit Gleb Kalaschnikow wiederfand, war sie weder erschrocken noch überrascht. Sie fühlte sich so wohl, daß sie am liebsten die Augen gar nicht mehr aufgemacht hätte. Der ganze Vorrat an unverbrauchter romantischer Energie, der sich in ihr angesammelt hatte, konnte sich nun endlich in einer wahnsinnigen, ewigen Liebe verströmen. Die drückende Melancholie wich einem überschwenglichen Glücksrausch.
Gleb hielt sich für einen guten Kenner der weiblichen Psyche. Heute will sie noch für ihn sterben, aber morgen verlangt sie nörgelnd und launisch nach einem neuen Pelzmantel und einem Brillantring. Allerdings, sie war wirklich noch Jungfrau gewesen, wer hätte das gedacht.
Aber Olga verlangte weder am folgenden Tag noch nach einem Monat oder nach einem
Weitere Kostenlose Bücher