Club Kalaschnikow
vergessen …«
Sie wollte den Hörer gerade einhängen, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte.
»Margarita hat Konstantin zu Nadja gefahren«, erklärte ihre Mutter, »und die beiden dann allein gelassen. Nadja geht es schon besser. Und Margarita ist jetzt bei dir, um Shannotschka zu helfen. Nach der Beerdigung werden schrecklich viele Leute kommen. Ich wollte auch gerade zu dir, ich räume hier nur noch ein bißchen auf. Bist du denn nicht zu Hause? Von wo rufst du an?«
»Aus der Zelle. Mama, ich hab etwas sehr Dringendes zu erledigen. Ich erklär es dir später.«
»Also, ich staune wirklich über Margarita! Im Unglück erkennt man den Charakter eines Menschen. Wer hätte gedacht, daß dieses Gänschen …«
»Mama, hast du noch irgendwo die Telefonnummer von der Friseurin Ella?« unterbrach Katja sie. »Erinnerst du dich noch an sie? Sie hatte eine Tochter, Sweta, die genauso alt war wie Gleb.«
»Ich sehe sofort nach«, sagte ihre Mutter verwirrt, »aber du …«
»Später, Mama, später«, unterbrach Katja sie, »es ist wirklich sehr eilig.«
»Schon gut, schon gut. Werd nicht gleich nervös. Wenn ich nur den Nachnamen von dieser Ella noch wüßte … Es war irgendein ganz einfacher Name. Sidorowa?«
»Petrowa!« rief Katja. »Guck in dem alten Büchlein unter P nach.«
»Tatsächlich, hier ist es!« sagte ihre Mutter freudig. »Petrowa, Ella.«
Katja wiederholte die Zahlen laut, Pawel drückte seinen Notizblock an die Scheibe der Telefonzelle und schrieb sie mit einem Filzstift auf.
»Danke, Mama, das war’s. Küßchen.«
Pawel reichte ihr noch eine Telefonmünze.
»Denk aber dran, das ist die letzte.«
Katja wählte die Privatnummer der Friseurin Ella. Besetzt. Sie drückte auf die Telefongabel, aber der schlaue Automat verschluckte den letzten Jeton.
»Willst du vielleicht von mir zu Hause aus anrufen?« schlug Pawel vor. »Das ist ja gleich um die Ecke.«
Katja zögerte einen Moment und nickte dann.
»Einverstanden.«
»Wirst du wirklich erpreßt?«
»Es sieht ganz so aus.«
»Hat es mit dem Mord an deinem Mann zu tun?«
»Ich weiß es noch nicht.«
Sie stiegen in Katjas Auto und waren fünf Minuten später an Pawels Haus. Katja rannte sofort zum Telefon. Diesmal wurde gleich abgenommen. Eine sehr tiefe, krächzende Frauenstimme sagte:
»Ja, bitte.«
»Guten Tag, könnte ich Ella Petrowa sprechen?«
»Am Apparat.«
»Ella, guten Tag, hier ist Katja Orlowa. Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich.«
»Ja, ich erinnere mich«, erwiderte die Frau völlig emotionslos.
»Sagen Sie mir, wo kann ich Sweta finden?«
»Woher soll ich das wissen?« knurrte Ella aufgebracht.
»Aber sie wohnt doch bei Ihnen?«
»Wo soll das Miststück denn sonst wohl wohnen? Die treibt sich nachts rum, mir sagt sie nicht, wohin sie geht.«
»Das heißt, sie war letzte Nacht nicht zu Hause?« hakte Katja nach. »Wann haben Sie sie denn das letzte Mal gesehen?«
»Die braucht sich hier überhaupt nicht mehr blicken lassen, die Schlampe«, schimpfte die Mutter weiter.
Katja wurde klar, daß die Frau betrunken war und man nicht viel Vernünftiges aus ihr herausbekommen konnte. Aber sie gab noch nicht auf:
»Wie geht es ihr denn überhaupt? Was macht sie?«
»Sie hat einen Stand auf dem Markt am Dynamo-Stadion. Was willst du denn eigentlich von ihr?« Die Stimme der anderen bekam einen mißtrauischen, feindseligen Unterton.
»Sie hat mich gefragt, ob ich ihr eine Stelle besorgen kann«, schwindelte Katja rasch aus dem Stegreif. »Ich hab im Theater etwas für sie gefunden, in der Kostümschneiderei. Bei uns wird zur Zeit gut gezahlt. Wir hatten uns für heute verabredet, aber sie ist nicht gekommen.«
»Hör mal, könnte ich nicht bei euch was kriegen?«
»Darüber können wir später reden. Haben Sie vielleicht die Telefonnummern irgendwelcher Freunde oder Bekannten? Bei wem könnte sie über Nacht gewesen sein?«
»Ich weiß gar nichts. Sie lebt hier wie im Hotel. Kommt und geht, wie’s ihr paßt, mir sagt sie nichts.«
»Na schön«, sagte Katja, »ist sie denn heute wohl auf dem Markt?«
»Ich denke schon. Heute ist Feiertag, da ist dort der Teufel los.«
»Wissen Sie, womit sie handelt?«
»Mit Schuhen.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, starrte Katja einige Sekunden lang schweigend auf die Wand. Pawel hockte sich vor ihr nieder und nahm ihre Hände in die seinen. Ihre Hände waren eiskalt. Er drückte sie an seine Wangen und fragte leise:
»Frierst du?«
»Nein.« Katja schüttelte den
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