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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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besonders seit man ihm vor kurzem endlich neue, sündhaft teure Porzellankronen eingesetzt hatte. Doch weder sein Hollywood-Lächeln noch die gestelzte, altmodische Redewendung konnten das Herz der kleinen Blondine erweichen.
    »Verschwinden Sie! Auf der Stelle!«
    »Warum?« fragte Artjom immer noch lächelnd.
    »Weil niemand Sie eingeladen hat! Raus hier!« Sie drängte Artjom zur Tür.
    Die rundliche Dame war überraschend stark. Und schlagen konnte er sich schlecht mit ihr! Also trat Artjom den Rückzug an. Die Tür wurde ihm vor der Nase zugeschlagen. Offensichtlich war die Orlowa nicht zu Hause, und das hier war eine Verwandte oder eine Hausangestellte gewesen. Na, und wennschon, er hatte immer noch die Chance, die junge Witwe auf der Straße, vor dem Hauseingang, abzupassen, wenn sie nach Hause kam. Am Vorabend der Beerdigung war sie bestimmt nicht für längere Zeit weggegangen.
    Im Hof waren nur wenige Leute. Drei Knirpse buddelten still und konzentriert im Sandkasten. Auf der einzigen heilen Bank saß eine junge Mutter, in ein Buch vertieft. Daneben klapperten zwei Omas mit ihren Stricknadeln und erörterten, woher Allergien bei Kindern kämen und was man dagegen tun könne.
    »Wenigstens Butterbrote hätten wir mitnehmen sollen!« knurrte Igor. »Weißt du was, du hältst hier die Stellung, und ich laufe schnell zum Kiosk und kaufe was zu essen, ich habe tierischen Hunger.«
    Er wollte gerade losgehen, da ertönte neben ihm eine knarrende, heisere Stimme: »Haste mal ’ne Zigarette für mich?«
    Igor und Artjom drehten sich um. Der Gestank von Alkohol und Urin schlug ihnen entgegen. Neben derSchaukel stand ein kleiner, dicklicher, noch ziemlich junger Stadtstreicher. Seiner zerknitterten Hose sah man noch an, daß sie einmal weiß gewesen war, die Schuhe leuchteten grellorange, unter dem taillierten violetten Damenblazer sah ein salatgrünes Flanellhemd mit gelben Tupfen hervor. An seinem schmutzigen Hals baumelte eine Smokingfliege aus Silberbrokat.
    »Igor, warte, geh noch nicht weg!« flüsterte Artjom. »Ein toller Typ …«
    »Hier ist der Müll was ganz Besonderes.« Der Stadtstreicher hatte Artjoms entzückten Blick aufgefangen. »In diesem Haus wohnen berühmte Leute, ›neue Russen‹. Die haben sich an ihrem Reichtum überfressen, die Hunde. Wenn sie irgendwo einen Fleck sehen oder ein Knopf ist abgegangen, dann schmeißen sie die Klamotten gleich in den Müll. Haste nicht ’ne Zigarette übrig?«
    »Für einen so schönen Mann wie dich immer.« Artjom hielt ihm seine Schachtel »Kent« hin.
    Der Penner nahm vorsichtig zwei Zigaretten heraus, eine schob er sich gewandt hinters Ohr, die andere steckte er sich in den Mund. Aus dem Armeerucksack, der auf seinem Rücken baumelte, zog er eine zerfledderte Ausgabe der Zeitschrift »Penthouse«, entfaltete sie mit der schwungvollen Geste eines Trickzauberers, breitete sie auf dem Boden aus und ließ sich malerisch im Türkensitz darauf nieder.
    »Halt!« Artjom sprang von der Schaukel. »Kannst du das noch mal machen?«
    »Wollt ihr mich fotografieren?« erkundigte sich der Stadtstreicher in geschäftsmäßigem Tonfall.
    »Genau.«
    Artjom sammelte alle möglichen malerischen Straßenszenen und ausgefallenen Typen – Bettler in der U-Bahn, Bahnhofsprostituierte, Trinker. Solche Kurzfilmchen konnte man bisweilen erfolgreich verkaufen, manche Rockgruppenmontierten sie gern als Extra-Gag in ihre Videoclips, und auch einem selber konnten sie für irgendein Thema zustatten kommen.
    »’n Fuffziger«, erklärte der Penner.
    Artjom zog ohne nachzudenken eine Fünfzigtausendrubelnote aus der Tasche.
    »Grüne«, sagte der Penner.
    »Ist das nicht ein bißchen happig?«
    »Nee.« Der Penner biß geschickt den Filter von der Zigarette ab, spuckte ihn aus und klickte mit einem Wegwerffeuerzeug. »Überhaupt nicht. Du wirst sowieso noch mehr für mich rausrücken.«
    »Was du nicht sagst, Vagabund.« Artjom pfiff durch die Zähne. »Und wofür, wenn ich fragen darf?«
    Der Penner winkte ihn mit dem Finger näher heran, der Reporter beugte sich zu ihm herüber und verzog unwillkürlich das Gesicht von dem Gestank.
    »Ich hab den Killer gesehen, der hier vorm Haus den Kerl erledigt hat«, flüsterte der Penner, »ganz nah hab ich ihn gesehen, so wie dich jetzt.«
    * * *
    Pawel Dubrowin stand neben Katja am Telefonautomaten. Er konnte die langgezogenen Signale im Telefon hören.
    »Natürlich«, murmelte Katja, »sie sind ja beide bei Tante Nadja. Das hatte ich

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