Club Noir - 1
ihr Bett. Erst als sie das Bild von Andrew vor ihrem inneren Auge sah, fühlte sie sich entspannter. Er war ihr so nah, hob sie auf und hielt sie in seinen starken Armen. Doch dann trug er sie durch den langen Flur des „Club Noir“.
„Nein, nicht da lang …“, murmelte Jesse im Halbschlaf.
Andrew ging mit ihr direkt auf die Tür von Louis zu. Mit einem Fuß stieß er sie auf. Der Duft von Rosenblättern stieg ihr in die Nase. Kerzen brannten überall. Sie spürte die Wärme in sich aufsteigen, obwohl es nichts weiter als ein Traum war.
Als nächstes wurde sie von Andrew in roten Satin gebettet. Seine Finger glitten sanft über ihren Körper und Küsse bedeckten ihre Haut. Ihr war kühl und als sie an sich hinabsah, bemerkte sie, dass sie lediglich ihre schwarze Spitzenunterwäsche trug.
Andrew saß mit einem Mal am Rande des Bettes und beobachtete sie schweigend. Hinter ihm tauchte noch jemand auf. Louis! Jesse stockte vor Schreck der Atem. Ungläubig musste sie zusehen, wie beide Männer sich über sie hermachten.
Mit einem Keuchen fuhr Jesse hoch. Sie klammerte sich hilflos an ihre Bettdecke. Die Bilder in ihrem Kopf verschwanden allmählich. Ihr Blick klärte sich. Sie hatte nur geträumt. Dennoch war ihr alles so real erschienen. Ängstlich schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. Sie wusste, dass es albern war, trotzdem blieb sie ab diesem Moment hellwach und lauschte jedem noch so schwachen Geräusch.
Dementsprechend unausgeschlafen fühlte sie sich, als sie ihren ersten Arbeitstag in der Brüsseler Galerie antrat.
Eine freundliche ältere Dame im olivgrünen Kostüm nahm sie in Empfang. Sie stellte sich als Christine Demier, die stellvertretende Leiterin der Galerie, vor. Der Mund der Dame stand seit Jesses Eintreffen keine Sekunde still. Ununterbrochen plapperte sie über die Gemälde, das Wetter und ihr eigenes Empfinden.
Jesse ging dazu über, von Zeit zu Zeit zu nicken, hörte aber schnell nur noch mit halbem Ohr zu.
Gedankenverloren betrachtete sie, wie die Bilder ihres Londoner Arbeitgebers an den Wänden angeordnet waren. Es erstaunte sie, welche Mühe sich die Angestellten mit der Dekoration und der Beleuchtung gegeben hatten. Alles wirkte perfekt aufeinander abgestimmt und in gewisser Weise vollkommen.
„Ah, es sind wahre Schmuckstücke, die Bilder von diesem Weurwin … oder wie hieß er doch gleich?“ Madame Demier blickte ihre junge Kollegin unverwandt von der Seite an.
„Mademoiselle Brown?“
Jesse erschrak, als ihr gewahr wurde, dass sie angesprochen, aber nicht gleich reagiert hatte. „Worthing“, presste sie mit einem entschuldigenden Blick hervor, „der Name des Künstlers ist Joaquin Worthing. Er ist noch recht unbekannt.“
Madame Demier winkte ab. „Das wird sich ganz gewiss schnell ändern. Kunstkenner der ganzen Welt gehen hier tagtäglich ein und aus. Sie werden schon sehen.“
„Ja.“ Jesse nickte höflich.
„Aber kommen Sie. Nun zeige ich Ihnen erst einmal Ihr Büro.“ Sehr geschäftig machte sich Madame Demier davon, so dass Jesse Schwierigkeiten hatte, ihrem zügigen Schritt zu folgen. „Wir haben ein nettes kleines Zimmer für Sie. Es wird Ihnen gefallen. Vielleicht wollen Sie ja am Ende gar nicht mehr zurück in Ihre verregnete Heimatstadt.“ Sie zwinkerte.
„Oh, das ist sehr nett.“ Jesse blieb freundlich, obwohl es sie störte, dass jemand ihr geliebtes London einfach nur verregnet nannte. Als wäre es die einzige Eigenschaft, mit der diese Stadt verbunden werden konnte.
Die Frau führte sie durch den ganzen langen Ausstellungsraum, bis sie eine einfache Holztür erreichten, die in ein winziges Zimmer führte. Es sah aus wie eine Abstellkammer, die vorübergehend leer geräumt und zurecht gemacht worden war. Die Einrichtung wirkte äußerst spartanisch. Sie bestand aus einem Tisch mit einer Leselampe darauf, einem Stuhl sowie einem Rollcontainer mit drei Schubladen, nicht zu vergessen einem geflochtenen Papierkorb. Dennoch war Jesse dankbar, einen eigenen Arbeitsbereich zu haben. Die meiste Zeit würde sie wohl sowieso in dem Ausstellungsraum verbringen.
„Ah!“, merkte Madame Demier plötzlich auf. „Ich habe völlig vergessen – in wenigen Minuten wird eine Gruppe hier eintreffen, die sich die Bilder von Monsieur …“, sie überlegte kurz, „Weurwin ansehen möchte. Arbeitskollegen von meinem Mann. Allesamt Bankangestellte. Sie sind doch vorbereitet?“
„Sicher“, sagte Jesse kleinlaut, was ganz und gar nicht der Wahrheit
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