Club Noir - 1
Jesse der Gedanke, Andrew würde sie in den „Club Noir“ ausführen wollen. Zu ihrer Erleichterung stellte sie allerdings schon kurze Zeit später fest, dass sein Ziel eine ganz andere Lokalität war. Ein vornehmes Restaurant. Als sie die anderen fein angezogenen Gäste erblickte, fühlte sie sich hoffnungslos falsch gekleidet.
„Andrew.“ Sie hielt ihren Begleiter am Arm zurück. „Wir können doch nicht … ich meine, ich kann doch nicht so …“ Mit einer ungeschickten Geste machte sie ihn auf ihre Garderobe aufmerksam.
Doch er zeigte ihr nur sein unbekümmertes Lächeln. „Sie sehen hübsch aus, so wie Sie sind. Wir wollen doch nur einen Drink nehmen.“
„Aber die anderen Gäste …“
„Interessieren mich nicht“, stellte er mit Nachdruck fest. „Sie sind es, die meine vollkommene Aufmerksamkeit hat.“
Jesse spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Es klopfte ihr bis zum Hals. Sie wollte Andrew auf der Stelle in die Arme fallen, ihn halten und küssen. So zu tun, als wäre nichts weiter, kostete sie einiges an Selbstbeherrschung.
Im nächsten Moment wurde ein Kellner auf sie aufmerksam. Er begrüßte sie freundlich und wies ihnen einen Platz in einer verträumten Nische am Fenster zu. Ein dreiarmiger Kerzenleuchter stand in der Mitte des Tisches, dessen Kerzen der Mann sogleich entzündete. Jesse hatte alle Mühe, der romantischen Stimmung nicht zu erliegen.
Andrew hingegen wusste um seine Wirkung und kostete die Situation vollkommen für sich aus.
Er bestellte eine Flasche des besten Rotweins des Hauses und sah Jesse beim Anstoßen so tief in die Augen, dass ihr allein dadurch schwindelig wurde.
„Sie sind also ganz alleine von London hierher gereist, um die Ausstellung in der Galerie durchzuführen?“, begann Andrew das Gespräch.
Jesse nickte zaghaft. „Ja. Es ist eine gute berufliche Möglichkeit für mich. Außerdem scheint Brüssel eine interessante Stadt zu sein.“
Völlig unerwartet fuhr seine rechte Hand über den Tisch und legte sich auf ihre, mit der sie sich energisch an ihr Weinglas klammerte. Sogleich spürte sie, wie sie sich unter seiner Berührung entspannte.
„Und gibt es da jemanden, der in London auf sie wartet?“
Jesse legte den Kopf schief. Sollte sie ihm schon derart persönliche Dinge aus ihrem Leben verraten? Ehe sie sich jedoch dafür oder dagegen entscheiden konnte, kam bereits eine impulsive Antwort über ihre Lippen.
„Nein, da gibt es schon lange niemanden mehr.“
„Das tut mir Leid.“ Er wirkte ehrlich betroffen. Dennoch erkannte Jesse ein Lächeln, das sich in seinen Zügen verbarg. „Aber ist es nicht auch eine glückliche Fügung?“
Jesse verstand nicht. Zaghaft blinzelte sie ihm entgegen, was ihn nur dazu veranlasste, sich noch ein weiteres Stück zu ihr vorzubeugen.
Er hob ihre Hand zu seinem Mund und hauchte einen sanften Kuss darauf.
Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, als Andrew ihr so unverhofft nahe kam. Sein warmer Atem streifte ihre Haut nur allzu deutlich und für einen kurzen Moment schloss sie die Augen.
Mit einem zitternden Luftzug erwachte sie wieder aus ihrer Starre. Was war da gerade mit ihr geschehen? Es musste eine Art Zauber sein, mit dem dieser mysteriöse Mann sie belegt hatte.
„Was tun Sie nur mit mir?“
„Nichts, was Sie nicht auch wollen, Jesse.“
Sein Lächeln und seine Berührungen waren warm. Es tat ihr gut. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so wohl gefühlt wie in seiner Gegenwart. Trotzdem wehrte sie sich mit aller Macht gegen diese Empfindungen. Sie wusste rein gar nichts über diesen Mann. Was er in diesem zweifelhaften Club gewollt hatte, blieb ihr noch immer verborgen. Womöglich war er ein wohlhabender feiner Herr, der sich dort amüsierte und die Frauen reihenweise verführte.
Jesse heftete den Blick auf ihr halb geleertes Glas. Nervös griff sie danach und trank in winzigen Schlucken von dem köstlichen Wein. Sie lehnte sich zurück, entzog sich so seiner Hand, die von ihr Besitz ergreifen wollte. Mit einem überheblichen Schmunzeln quittierte Andrew ihren Rückzug. Er würde sie nicht so leicht entkommen lassen. Doch bislang setzte Jesse alles daran, sich ihm zu entwinden.
„Ich sollte jetzt wirklich gehen. Es ist schon spät.“
Sie wollte aufspringen, ohne seine Antwort abzuwarten.
„Warum so eilig?“, hielt er sie zurück. „Der Abend ist noch lang.“
„Nicht für mich. Ich muss morgen früh raus.“
Sie zwang sich dazu, ihn nicht
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