Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
noch eine riesige Summe zu waschen haben. Die Dollars würden von ihm in hundert andere illegale Unternehmen sickern.
Und überall in Amerika würden weitere Menschenleben durch das angeblich harmlose weiße Pulver zerstört werden.
Paul Devereaux brauchte vier Wochen für seine Recherche. Jonathan Silver rief ihn zweimal an, aber Devereaux ließ sich nicht hetzen. Als er fertig war, traf er im Westflügel des Weißen Hauses wieder mit dem Stabschef des Präsidenten zusammen. Devereaux brachte einen schmalen Aktenordner mit. Computer verschmähte er, weil sie als vollkommen unsicher erschienen. Lieber behielt er fast alles im Kopf, und wenn er es mit einem weniger leistungsfähigen Verstand zu tun hatte, schrieb er konzise Berichte in elegantem, wenn auch etwas altmodischem Englisch.
»Und?«, fragte Silver, der sich etwas auf seine nüchtern-zupackende Art und sein energisches Auftreten zugute hielt, während andere von blanker Unhöflichkeit sprachen. »Sind Sie zu einer Auffassung gekommen?«
»Ja«, erwiderte Devereaux. »Vorausgesetzt, bestimmte Bedingungen werden rigoros erfüllt, kann die Kokainindustrie als Massenindustrie zerschlagen werden.«
»Und wie?«
»Zunächst einmal, wie nicht. Die Produzenten an der Quelle sind unerreichbar. Tausende von bettelarmen Bauern, die Cocaleros, pflanzen die Sträucher auf Abertausenden von kleinen Feldern unter dem Laubdach des Dschungels an. Manche dieser Felder sind nicht einmal einen halben Hektar groß. Solange es ein Kartell gibt, das bereit ist, ihre elende Pasta zu kaufen, werden die Bauern sie herstellen und zu den kolumbianischen Einkäufern bringen.«
»Die Bauern auszuschalten, kommt also nicht in Frage?«
»Auch wenn man es versucht – und die gegenwärtige kolumbianische Regierung versucht es wirklich, im Gegensatz zu manchen ihrer Vorgänger und fast allen ihren Nachbarn. Aus Vietnam sollten wir alle ein paar fundamentale Lehren über Urwälder und ihre Bewohner gezogen haben. Mit einer zusammengerollten Zeitung rottet man keine Ameisen aus.«
»Dann also die verarbeitenden Labore? Die Kartelle?«
»Ebenfalls keine Option. Ebenso gut können Sie versuchen, eine Muräne mit bloßen Händen aus ihrem Loch zu ziehen. Das ist ihr Revier, nicht unseres. In Lateinamerika sind sie die Herren, nicht wir.«
»Okay.« Silvers stark begrenzter Geduldsvorrat ging bereits zu Ende. »Im Innern der USA ? Nachdem dieser Dreck in unserem Land angekommen ist? Haben Sie eine Ahnung, wie viel Geld, wie viele Steuerdollars wir landesweit für die Polizeibehörden ausgeben? In fünfzig Staaten plus FBI ? Das entspricht der kompletten Staatsverschuldung, verdammt!«
»Genau.« Devereaux ließ sich von Silvers wachsender Gereiztheit nicht aus der Fassung bringen. »Ich glaube, die Bundesregierung allein gibt jährlich vierzehn Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Drogen aus. Und das ist noch nichts im Vergleich zu den Löchern, die dadurch in die Etats der einzelnen Bundesstaaten gerissen werden, und zwar aller fünfzig. Deshalb führt die Inlandskampagne auch nicht weiter.«
»Wie also?«
»Die Achillesferse ist das Wasser.«
»Wasser? Sie wollen denen Wasser in das Koks schütten?«
»Ich meine das Wasser unter dem Koks. Das Meerwasser. Es gibt nur einen einzigen Landweg von Kolumbien nach Mexiko, und der führt über den schmalen Grat Mittelamerikas und ist so leicht zu kontrollieren, dass die Kartelle ihn nicht benutzen. Jedes Gramm Kokain, das in die USA oder nach Europa geht …«
»Vergessen Sie Europa. Die sind nicht dabei«, fuhr Silver dazwischen.
»… muss auf dem Seeweg transportiert werden. Sogar von Kolumbien nach Mexiko geht es über das Meer. Das ist die Halsschlagader des Kartells. Schneiden Sie sie durch, und der Patient stirbt.«
Silver grunzte und starrte den pensionierten Spion über seinen Schreibtisch hinweg an. Der Mann erwiderte den Blick gelassen; anscheinend war es ihm völlig schnuppe, ob seine Erkenntnisse akzeptiert wurden oder nicht.
»Ich kann dem Präsidenten also sagen, sein Projekt sei durchführbar, und Sie werden es übernehmen?«
»Nicht ganz. Es gibt Bedingungen. Und ich fürchte, sie sind nicht verhandelbar.«
»Das hört sich wie eine Drohung an. Niemand droht dem Oval Office. Vorsicht, Mister.«
»Es ist keine Drohung, sondern eine Warnung. Wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden, wird das Projekt ganz einfach scheitern, und das wäre teuer und peinlich. Hier sind sie.«
Devereaux schob seinen schlanken
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