Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
bevorzugter Bestimmungsort war der kleine, ehemals portugiesische, vom Bürgerkrieg verwüstete, gescheiterte Staat und Drogenpfuhl Guinea-Bissau.
Zum selben Schluss kam auch Cal Dexter, als er in Wien mit dem kanadischen Drogenjäger Walter Kemp vom United Nations Office on Drugs and Crime – dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung – zusammensaß. Die Zahlen des UNODC entsprachen weitgehend denen, die Tim Manhire in Lissabon zusammengetragen hatte.
Westafrika, das erst vor wenigen Jahren nur ungefähr zwanzig Prozent des für Europa bestimmten Kokains übernommen hatte, nahm jetzt mehr als fünfzig Prozent in Empfang. Und was noch keiner der beiden Männer an dem Cafétisch im Praterpark wissen konnte: Alfredo Suarez hatte den Prozentsatz inzwischen auf siebzig erhöht.
In Westafrika gab es sieben Küstenstaaten, die für die Polizei als »interessant« gelten konnten: Senegal, Gambia, Guinea-Bissau, Guinea-Conakry (eine frühere französische Kolonie), Sierra Leone, Liberia und Ghana.
Nachdem das Kokain per Schiff oder Flugzeug über den Atlantik gekommen war, sickerte es auf hundert verschiedenen Routen und Schleichwegen nach Norden. Einiges ging per Fischerboot an der Küste entlang hinauf nach Marokko, wo es auf der alten Cannabisroute weiter transportiert wurde. Andere Lieferungen wurden über die Sahara an die nordafrikanische Küste geflogen und gelangten dann mit kleinen Booten zur spanischen Mafia auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar oder zur kalabrischen ’Ndrangheta, die im Hafen von Gioia darauf wartete.
Wieder andere wurden auf dem anstrengenden Landweg durch die Sahara von Süden nach Norden befördert. Und äußerst »interessant« war die libysche Fluggesellschaft Afriqiyah, denn sie verband zwölf größere westafrikanische Städte mit Tripolis, das Europa gegenüber an der Mittelmeerküste lag.
»Beim Transport nordwärts nach Europa«, sagte Kemp, »sind sie alle zusammen beteiligt. Aber wenn es darum geht, die Atlantikfrachten in Empfang zu nehmen, spielt Guinea-Bissau in der obersten Liga.«
»Vielleicht sollte ich mich da mal umsehen«, überlegte Dexter.
»Wenn Sie das tun«, riet ihm der Kanadier, »seien Sie vorsichtig. Bereiten Sie eine gute Tarngeschichte vor. Und es könnte ratsam sein, Bodyguards mitzunehmen. Die beste Tarnung ist natürlich eine schwarze Haut. Können Sie so jemanden besorgen?«
»Nein, nicht auf dieser Seite des Atlantiks.«
Kemp kritzelte einen Namen und eine Telefonnummer auf eine Papierserviette. »Versuchen Sie es bei ihm in London. Ein Freund von mir. Er ist bei der SOCA . Und viel Glück. Sie werden es brauchen.«
Von der britischen Serious and Organised Crime Agency – der Behörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens – hatte Dexter noch nie gehört, aber das sollte sich ändern. Als die Sonne unterging, war er wieder im Montcalm Hotel in London.
Wegen der früheren Kolonialbeziehung ist die portugiesische Fluggesellschaft TAP die einzige Airline, die für diese Strecke in Frage kommt. Mit einem Visum versehen, gegen alles geimpft, was dem Institut für Tropenmedizin eingefallen war, und ausgestattet mit einem Brief von Bird Life International, der ihn als einen berühmten Ornithologen mit der Absicht auswies, in diesem Winter westafrikanische Watvögel zu studieren, bestieg »Dr.« Calvin Dexter eine Woche später in Lissabon die Abendmaschine der TAP nach Guinea-Bissau.
Hinter ihm saßen zwei Corporals der britischen Fallschirmjäger. Die SOCA , so hatte Dexter erfahren, versammelte so gut wie alle mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Terrorismus befassten Organisationen unter einem Dach. Zu dem Netz von Kontakten, das einem Freund Walter Kemps zur Verfügung stand, gehörte ein hochrangiger Soldat, der den größten Teil seiner Laufbahn beim Dritten Bataillon des Fallschirmjägerregiments verbracht hatte. Dieser Mann hatte Jerry und Bill auf dem Stützpunkt Colchester ausfindig gemacht, und sie hatten sich freiwillig zur Verfügung gestellt.
Aber sie hießen nicht mehr Jerry und Bill. Sie hießen Kwame und Kofi. Ihre Pässe bewiesen, dass sie Ghanaer waren, und alle anderen Papiere bezeugten, dass sie bei Bird Life International in Accra arbeiten. In Wahrheit waren sie so britisch wie Windsor Castle, aber ihre Eltern stammten aus Grenada. Solange sie niemand in fließendem Twi, Ewe oder Ashanti anredete, konnte nichts passieren. Sie sprachen zwar auch kein
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