Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
kämpfte er gegen das Übel der Sklaverei. Und die Sklavenhändler machten ihn zum Märtyrer. Pater, ich beschwöre Sie. Der Drogenhandel ist genauso bösartig wie der Handel mit Sklaven. Beide profitieren vom menschlichen Elend. Nicht nur Menschen können andere versklaven, Drogen können es auch. Die Sklavenhändler raubten die Körper junger Menschen und misshandelten sie. Drogen rauben ihnen die Seele.«
Der Pater schaute eine ganze Weile aus dem Fenster und über den Platz des Simon Bolívar, eines Befreiers der Menschen.
»Ich möchte beten, mein Sohn. Können Sie in zwei Stunden noch einmal zurückkommen?«
Unter der Markise eines Cafés in einer Seitenstraße, die von der Plaza wegführte, nahm Devereaux einen leichten Lunch zu sich. Als er zurückkam, hatte das Oberhaupt der kolumbianischen Jesuiten seine Entscheidung getroffen.
»Ich kann niemandem befehlen, zu tun, was Sie verlangen. Aber ich kann es meinen Gemeindepriestern erklären. Solange das Siegel der Heiligen Beichte nicht verletzt wird, mögen sie dann selbst entscheiden. Jedenfalls dürfen Sie Ihre kleinen Geräte verteilen.«
Von all seinen Kollegen im Kartell war der für den Vertrieb zuständige José-Maria Largo derjenige, mit dem Alfredo Suarez am engsten zusammenarbeiten musste. Es kam darauf an, jede Lieferung bis auf das letzte Kilogramm im Auge zu behalten. Suarez konnte sie abschicken, Ladung für Ladung, aber es war entscheidend, zu wissen, wie viel am Ort der Übergabe an die einkaufende Mafia ankam und wie viel von den Ordnungskräften abgefangen wurde.
Zum Glück posaunten die Polizeibehörden jede größere Beschlagnahmung über die Medien in alle Welt hinaus. Sie wollten den Ruhm einheimsen, sie wollten Lorbeeren von ihren Regierungen ernten, und sie schielten auf immer größere Etats. Largos Regeln waren einfach und unumstößlich. Großkunden bezahlten fünfzig Prozent des Preises für eine Lieferung bei der Bestellung (und das Kartell bestimmte den Preis). Der Rest war bei Übergabe fällig, denn im selben Augenblick wechselte die Ware den Eigentümer. Kleinere Fische hatten eine hundertprozentige Vorauszahlung zu leisten, und sie war nicht verhandelbar.
Wenn die nationalen Banden und Mafiaclans im Straßenverkauf astronomische Summen kassieren konnten, war das ihre Sache. Wenn sie die Ware verloren, weil sie unvorsichtig waren oder sich von Polizeispitzeln unterwandern ließen, war das ebenfalls ihre Sache. Aber wenn die Ware nach der Übergabe konfisziert wurde, befreite das die Abnehmer nicht von der Notwendigkeit des Bezahlens.
War eine ausländische Gang die fünfzig Prozent noch schuldig, hatte ihre Ware aber an die Polizei verloren und weigerte sich jetzt, zu bezahlen, musste die Schuld vollstreckt werden. Der Don hatte sehr entschiedene Ansichten darüber, wie wertvoll es war, schreckliche Exempel zu statuieren. Und das Kartell war in zweifacher Hinsicht wirklich paranoid: beim Warendiebstahl und bei Verrat durch Informanten. Beides war nicht zu verzeihen und nicht zu vergessen, mochte der Preis der Vergeltung noch so hoch sein. Vergeltung musste sein. Das war das Gesetz des Don … und es war wirksam.
Nur im Gespräch mit seinem Kollegen Largo konnte Suarez bis auf das letzte Kilo genau ermitteln, wie viel von dem, was er verschifft hatte, vor der Übergabe abgefangen worden war.
Nur daran konnte er erkennen, welche Transportmethoden die größten Chancen hatten durchzukommen und welche die geringsten.
Gegen Ende 2010 kam er zu dem Ergebnis, dass die Beschlagnahmungen den gleichen Umfang hatten wie immer: zwischen zehn und fünfzehn Prozent der Ware. Angesichts der hohen Gewinnspanne war das ein akzeptabler Verlust. Aber es drängte ihn stets, das Maß der Beschlagnahmungen auf einstellige Prozentzahlen zu reduzieren. Wenn Kokain abgefangen wurde, während es noch Eigentum des Kartells war, bedeutete das einen Verlust, der sie allein traf. Das gefiel dem Don nicht.
Suarez’ Vorgänger, der jetzt zerstückelt unter einem neuen Wohnblock verweste, hatte sich nach der Jahrhundertwende ein Jahrzehnt zuvor mit seiner ganzen Autorität für U-Boote ausgesprochen. Diese phantasievolle Idee erforderte, dass man an versteckten Flussläufen tauchfähige Bootsrümpfe baute, die mit einem Dieselmotor angetrieben wurden und eine vierköpfige Besatzung sowie zehn Tonnen Ladung, Proviant und Treibstoff aufnehmen konnten, um dann auf Periskoptiefe zu tauchen.
Auch die besten dieser Boote gingen nie auf große Tiefen.
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