Cobra
ihn die Eingebung wie ein Blitz. Schwarz – dieselbe Farbe wie die Baumstämme. Einem heranstürmenden Bololin musste die Siedlung als gigantischer Baum erscheinen, den er zu umgehen hatte. Und das bedeutete …
Er griff in seinen Kragen und verdeckte so das Mikrofon des Übersetzers. »Ich hab’s«, raunte er. »Die Straßenbemalungen in Sollas lassen die Stadt als einen Teil des Waldes erscheinen – dieselben Farben, alles. Dadurch wird verhindert, dass die Bololins ausbrechen.«
Es gab eine so lange Pause, dass er sich bereits zu fragen begann, ob niemand an Bord der Dewdrop die Leitung überwachte. Dann meldete sich Nnamdis Stimme über Kopfhörer. »Interessant. Eigenartig, aber durchaus möglich. Hängt teils wohl davon ab, wie gut die Bololins sehen können. Gouverneurin Telek schläft noch, aber ich werde sie darauf hinweisen, wenn sie aufwacht, und sehen, ob sie gestern Abend irgendwelches Datenmaterial diesbezüglich gesammelt hat.«
»Sehr schön«, sagte Joshua, »aber können Sie vielleicht in der Zwischenzeit feststellen, ob es irgendeinen soziologisch bedingten Grund für den Wunsch gibt, diese Herden durch Sollas trampeln zu lassen?«
»Das zieht Moffs Behauptung, es sei schlicht unmöglich, die Bololins auszusperren, allerdings in Zweifel«, gab Nnamdi ihm nachdenklich Recht. »Ich werde mich darum kümmern, aber im Augenblick fällt mir dazu nichts ein. Augenblick mal – sehen Sie doch noch einmal ein wenig nach links, ja?«
Joshua drehte den Kopf gehorsam ein paar Grad in die gewünschte Richtung. »Was ist denn?«
»Das rot umrandete Schild neben dem Tor – so etwas habe ich in Sollas nirgendwo gesehen. Lassen Sie mich den optischen Übersetzer einschalten …«
Joshua hielt den Kopf einen Augenblick lang still, damit das Bild aufgezeichnet werden konnte, dann wandte er sich wieder den anderen zu. »Also gut«, meinte Nnamdi einen Augenblick später. »Dort steht: ›Kriszahnjagd diesen Monat: am 8. und 22. um zehn Uhr.‹ Heute ist, glaube ich, der Achte, wenn wir den qasamanischen Kalender richtig berechnet haben. Ich frage mich, wieso sie trotz der anderen Kommunikationsleitungen, über die sie verfügen, ein Schild aufhängen.«
»Vielleicht ist eine so kleine Siedlung nicht auf dieselbe Weise verkabelt wie Sollas«, mutmaßte Joshua. Alles deutete darauf hin, dass Cerenkov und die Qasamaner mit den Begrüßungsworten fertig waren. Bürgermeister Ingliss deutete auf einen offenen Wagen von der Art, wie sie ihn die ganze Woche über in Sollas benutzt hatten. »Ich werde versuchen, es herauszufinden«, fügte er hinzu und nahm die Hand wieder vom Mikrofon.
Jetzt, da sein Mikro für den Übersetzer wieder offen war, schaltete sich dieser wieder zu. »… werden Sie später die landwirtschaftlich genutzten Bereiche besichtigen können«, meinte Ingliss gerade. »Im Augenblick sind viele der Arbeiter draußen bei der Jagd, daher gäbe es nur wenig zu sehen.«
»Damit meinen Sie die Kriszahnjagd?«, meldete sich Joshua zu Wort.
Ingliss sah ihn an. »Ja, natürlich. Nur Kriszähne und Bololins lohnen eine Massenjagd, und wenn sich eine Bololinherde nähern würde, hätten Sie eine Warnsirene gehört.«
»Richtig, Moff hat ein- oder zweimal von Kriszähnen gesprochen«, meinte Cerenkov. »Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sie gefährlich sind, aber darüber hinaus wissen wir nichts.«
»Gefährlich?« Ingliss stieß ein bellendes Lachen aus. »Überaus gefährlich. Zwei Meter oder mehr lang, die Hälfte davon, von den Pfoten bis zur Schulter, mit wellenförmigen Zähnen, die einen Mann in Sekunden zerfleischen können. Es sind wilde
Jäger, die sowohl unsere Leute hier als auch unsere Nutztiere bedrohen.«
»Klingt ein wenig wie unsere Stachelleoparden«, meinte Rynstadt grimmig. »Ein auf Aventine heimisches Raubtier, das wir bekämpfen, seit wir dort gelandet sind.«
»Hier war es nicht immer so«, berichtete Ingliss und schüttelte den Kopf. »Die alten Legenden besagen, dass Kriszähne vergleichsweise friedlich waren. Sie haben unsere ersten Ansiedlungen gemieden und waren bereit, die Bololinherden mit uns zu teilen. Erst später, vielleicht als sie erkannten, dass wir die Absicht hatten zu bleiben, haben sie sich gegen uns gewandt.«
»Oder als sie herausfanden, dass Menschen gut zu verspeisen waren«, schlug York vor. »Ist das plötzlich geschehen oder allmählich?«
Ingliss und Moff sahen sich an, Letzterer zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
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