Cobra
legte den zusammengeknüllten Zettel auf seinen Schreibtisch, hob den Kopf und sah sie an. »Es sieht ganz danach aus«, meinte er, »als werde Ihre Anwesenheit hier bald auffliegen.«
Jin nickte. »Genauso sieht es aus«, gab sie ihm verkniffen Recht.
»Ich wüsste nicht, wieso«, wandte Daulo von seinem angestammten Platz neben seinem Vater ein. »Die Yithras können Ihnen eigentlich erst dann wirklich Ärger machen, wenn sie den Shahni irgendeinen greifbaren Beweis liefern. Wieso brechen Sie nicht einfach in das Haus der Yithras ein und vernichten oder stehlen die Kapsel?«
Jin schüttelte den Kopf. »Es würde nicht funktionieren. Zuallererst ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass sie bis dahin verschiedene Einzelteile aus der Kapsel bereits überall im Haus verteilt haben, und es gibt keine Garantie, dass ich wirklich alles wiederfinden kann. Wichtiger noch, allein der Umstand, dass ich in ein bewachtes Haus eindringen und es wieder verlassen kann, ohne dabei gefasst zu werden, ist ein ziemlich offenkundiger Beweis dafür, dass ich nicht nur von einer anderen Welt bin, sondern zudem eine Höllenkriegerin. Ich denke, eine solche Panik sollten wir uns vorerst noch ersparen.«
»Die Yithras setzen die Shahni also davon in Kenntnis, dass heimlich jemand von einer anderen Welt bei uns gelandet ist.« Kruins Augen ruhten fest auf Jins Gesicht. »Und dank ihres Patriotismus und ihrer Wachsamkeit wächst das Ansehen der Familie. So wollen Sie uns helfen, sie zu Fall zu bringen?«
Ein Anflug von Ärger stieg in Jin hoch. »Mir ist bewusst, dass Sie Ihre eigenen Prioritäten haben, Kruin Sammon«, sagte sie, so ruhig es ihr gelang, »aber mir scheint, Sie täten besser daran, wenn Sie vergäßen, dass jemand den Yithra lobend übers Haupt streicht, und sich stattdessen auf die Folgen konzentrierten, die dies für ganz Milika haben könnte.«
»Die Folgen, die das für Sie haben könnte, meinen Sie«, konterte Kruin. »Wir haben uns nichts vorzuwerfen, wenn eine Fremde unsere Gastfreundschaft arglistig missbraucht.«
Jin warf ihm einen harten Blick zu. »Sie treten also von unserer Abmachung zurück?«, fragte sie leise.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, wenn es sich vermeiden lässt. Aber sollte sich herausstellen, dass Sie sowieso verhaftet werden, muss ich jeglichen Schaden von meinem Haus fernhalten.« Er zögerte. »Bevor es dazu kommt … werde ich Sie zumindest warnen.«
Damit es auf dem Gelände der Familie Sammon nicht zu einem Feuergefecht kommt? Trotzdem, mehr konnte sie unter den gegebenen Umständen nicht erwarten … und wahrscheinlich war das mehr, als sie irgendwoanders bekommen hätte. »Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit«, sagte sie.
»Was ich so nicht zurückgeben kann«, entgegnete der ältere Sammon.
Jins Magen ballte sich zusammen. »Wie meinen Sie das?«
»Ich meine damit Ihren wirklichen Namen«, sagte er ruhig. »Und das, was diesen Namen mit Mangus verbindet.«
Jins Blick suchte den von Daulo, und plötzlich schien es kälter geworden zu sein im Raum. Der jüngere Mann erwiderte standfest ihren Blick, sein Gesicht war ebenso ausdruckslos wie das von Kruin. »Ich habe Sie niemals angelogen«, sagte sie, den Blick immer noch auf Daulo gerichtet. »Keinen von Ihnen.«
»Ist das Verschweigen der Wahrheit etwa keine Lüge?«, fragte Daulo leise. »Sie haben die Bedeutung des Namens Mungo verstanden, und doch haben Sie uns dieses Wissen vorenthalten.«
»Wenn das wirklich meine Absicht gewesen wäre, warum hätte ich Ihnen denn überhaupt erzählen sollen, dass man uns Cobras nennt?«, erwiderte sie. »Tatsache ist, ich fand es nicht so überaus wichtig.«
»Nicht wichtig ?«, ereiferte sich Kruin. » Mungo ist kaum die treffende Bezeichnung für ein Projekt, das nur darauf abzielt, die Vorherrschaft über qasamanische Siedlungen zu erlangen. Und wenn Mangus tatsächlich den Versuch darstellt, sich gegen gemeinsame Feinde zur Wehr zu setzen, wie könnten die Sammons dann dazu beitragen, es zu vernichten?«
»Ich habe nicht die Absicht, es zu vernichten.«
»Wieder nur Halbwahrheiten«, feuerte Kruin zurück. »Sie persönlich wollen das vielleicht nicht, aber nach Ihnen kommen mit Sicherheit andere.«
Jin atmete tief durch. Langsam, Mädchen, warnte sie sich. Konzentrier dich und sei vernünftig. »Ich habe Ihnen bereits erklärt, dass ich nicht weiß, was meine Leute mit meinem Bericht anfangen werden – und darauf hingewiesen, dass wir ein friedliches Qasama jederzeit als
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