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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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Was auch geschieht. »Kommen Sie Jin«, sagte er laut. »Machen wir, dass wir von hier verschwinden.«

66
    Bei Tage, das wusste Jin, brauchte man ungefähr eine Stunde von Milika bis nach Azras. Nachts, wo Daulo es ein wenig langsamer angehen ließ, dauerte es anderthalbmal so lange, mit dem Ergebnis, dass es kurz nach Mitternacht war, als sie den Somilarai-Fluss überquerten und in die Stadt hineinfuhren.
    »Und was nun?«, fragte Jin, die sich nervös in den größtenteils menschenleeren Straßen umguckte. Verdacht zu erregen war jetzt das Letzte, was sie wollten.
    »Wir fahren zu der Wohnung, die Bürgermeister Capparis uns überlassen hat«, sagte Daulo.
    »Hat er Ihnen den Schlüssel geschickt, oder müssen wir irgendjemanden aus dem Bett holen?«
    »Er hat die Kombination geschickt«, erklärte Daulo. »Bei den meisten Apartments in Azras werden Kombinationsschlösser verwendet. Da muss man nur die Kombination verändern, wenn die Bewohner sie verlassen.«
    Was man in den Cobra-Welten ganz ähnlich handhabte. »Oh«, machte Jin und kam sich ein wenig albern vor.
    Sie ließen die Stadtmitte hinter sich, und es ging weiter in den Ostteil der Stadt, wo sie schließlich vor einem großen Gebäude hielten, das stark an das Haus der Familie Sammon in Milika erinnerte. Im Gegensatz dazu war dieses jedoch in Apartments unterteilt, die – nach der Größe desjenigen zu urteilen, in das sie nun eintraten – nicht nennenswert größer waren als die Zwei-Zimmer-Suite, die ihr die Familie Sammon überlassen hatte. Auf diesem Raum drängten sich eine winzige Kochnische, ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer.
    Mit einem einzigen Bett.
    »Kein Wunder, dass die Städter uns gegenüber empfindlich reagieren«, meinte Daulo, als er die Koffer in einer Ecke des Wohnzimmers absetzte und ein paar Schritte machte, um sich in der
Wohnung umzusehen. »Der durchschnittliche Arbeiter in den Diensten meiner Familie hat ein größeres Zuhause als das hier.«
    »Das sind bestimmt Wohnungen für die unteren Klassen«, murmelte Jin. Ihr fielen hundert Wege ein, die Sache zur Sprache zu bringen, es hatte aber keinen Sinn, um den heißen Brei herumzuschleichen. »Wie ich sehe, gibt es nur ein Bett.«
    Eine ganze Weile sah er sie bloß an – nicht ihren Körper, wie ihr auffiel, sondern ihr Gesicht. »Ja«, meinte er schließlich. »Ich sollte eigentlich gar nicht fragen müssen.«
    »So fügsam sind qasamanische Frauen?«, erwiderte Jin rundheraus.
    Er zog einen Schmollmund. »Manchmal vergesse ich, wie anders Sie sind … Nein, qasamanische Frauen sind nicht übermäßig fügsam, nur realistisch. Sie wissen, dass Frauen ohne Männer nicht gut zurechtkommen … und ich als Erbe einer mächtigen Familie gehöre nicht zu den Männern, die gerne zurückgewiesen werden.«
    Vor Entrüstung schauderte es Jin. Für eine Sekunde hatte seine höfliche Fassade einen Riss bekommen und ihr den Blick auf etwas weit weniger Attraktives darunter erlaubt. Reich, mächtig, wahrscheinlich auch noch verwöhnt – vermutlich hatte er seit dem Tag, an dem er geboren wurde, alles bekommen, was er wollte. Auf Aventine wuchs diese Sorte Mensch zu egoistischen, unreifen Erwachsenen heran. Auf Qasama, wo Männer Frauen mit großer Selbstverständlichkeit verachteten, war es sicherlich noch schlimmer.
    Sie wies den Gedanken jedoch von sich. Es ist eine andere Kultur, ermahnte sie sich entschlossen. Vermutungen und Rückschlüsse sind vielleicht unberechtigt. Schließlich hatte sie gesehen, welche Disziplin er bezüglich der Familiengeschäfte bewies, und warum sollte das in seinem Privatleben anders sein?
    Aber ob dies der Fall war oder nicht, sie musste die Regeln jetzt gleich ein für alle Mal festlegen. »Aha«, meinte sie kühl. »Soll das heißen, dass Sie die Macht Ihrer Familie dazu benutzen, Jagd auf Frauen zu machen, die keine andere Wahl haben, und,
schlimmer noch, indem Sie unterschwellig andeuten, Sie würden sie möglicherweise eines Tages heiraten? Die Razorarme sind wenigstens ehrlich zu ihren Opfern.«
    In Daulos Augen blitzte Zorn auf. »Sie wissen überhaupt nichts über uns«, fauchte er. »Nichts über uns, und noch weniger über mich. Ich benutze Frauen nicht als Spielzeuge, ich mache auch keine Versprechungen, die ich nicht halte. Das sollten vor allem Sie wissen – warum wäre ich sonst hier?«
    »Dann dürfte es kein Problem geben«, sagte sie ruhig. »Nicht wahr?«
    Allmählich erlosch die Glut in Daulos Augen. »Aha, jetzt spielen Sie also

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