Cobra
einer Feindin Qasamas.
Er spie einen Fluch ins leere Zimmer. Verflucht nochmal, Jasmine Moreau, dachte er wütend. Sei um Gottes willen vorsichtig. Bitte.
69
Der Schläger rang nach Atem, als ihm die Ammoniakdämpfe in die Nase stiegen und er abrupt wieder zu Bewusstsein kam. »Ich schlage vor, du verhältst dich ruhig«, riet Jin ihm und sprach dabei so tief und männlich, wie es ihr möglich war, ohne dass ihr der Hals kratzte.
Er gehorchte … doch plötzlich riss er die Augen vor Angst weit auf, als er zum ersten Mal deutlich sah, wo er sich befand. Jin konnte es ihm nicht verdenken; er hockte auf dem Rand eines hohen Daches, zwischen sich und der Tiefe befanden sich lediglich zwei dünne Taue, mit denen seine zusammengebundenen Handgelenke und Knöchel an einem fünf Meter entfernten Kamin festgemacht waren. Er hatte also jedes Recht, Angst zu haben. Tatsächlich bewunderte sie ihn eher für seine Selbstbeherrschung, sich nicht die Seele aus dem Leib zu schreien. »Fangen wir mit deinem Namen an, was meinst du?«, sagte sie und ging neben ihm in die Hocke.
»Hebros Sibbio«, brachte er hervor, den Blick starr auf seine Rettungsleinen gerichtet.
»Sieh mich an, wenn ich mit dir rede«, befahl ihm Jin. Er tat es, indem er seine Augen fast widerwillig zu ihrem maskierten Gesicht erhob. »Schon besser. Und jetzt verrate mir, wer dir den Auftrag gegeben hat, in die Wohnung einzubrechen.«
»Ich … niemand«, sagte er mit leicht brechender Stimme.
Jin stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Vielleicht bist du dir über deine Lage hier nicht völlig im Klaren, Hebros Sibbio«, sagte sie kühl. »Dein haariger Arsch hängt ein gutes Stück über dem Rand dort. Ich brauche nichts weiter zu tun, als diese zwei Seile durchzuschneiden, dann kannst du das alles Gott erklären und nicht mir. Glaubst du, ER wäre nachsichtiger mit dir?« Schaudernd schüttelte er den Kopf. »Das glaube ich auch nicht«, gab sie ihm Recht. »Also erzähl mir, wer hat dich zu der Sache angestiftet?«
»Ich weiß es nicht!«, stieß er hervor. »So wahr Gott mein Zeuge ist, ich weiß es nicht. Ein Mann – seinen Namen hat er mir nicht genannt – hat mich heute Morgen angerufen und mir erklärt, er wolle, dass wir einen Siedlungsbewohner zusammenschlagen, der sich in einer Wohnung in der Kutzkostraße 46 aufhält.«
»Und ihn töten?«
»Nein! Wir bringen niemanden um – nicht einmal die Typen aus den Siedlungen. Wenn er das verlangt hätte, hätte ich niemals zugestimmt.«
»Red leise. Was hat er dann verlangt? Was hat er dir als Bezahlung versprochen?«
Sibbio schauderte erneut. »Es gab keine Bezahlung. Er hat nur versprochen, ein paar unserer anderen … Aktivitäten nicht … bei der Regierung von Azras anzuzeigen.«
»Illegale Aktivitäten?«
»Ja. Er hat auch ein paar beim Namen genannt …« Er ließ den Satz unbeendet und starrte sie flehend an. »Das ist die Wahrheit – bei der Allgegenwart Gottes, es stimmt.«
Also Erpressung … was es leider schwer machte, die Spur zurückzuverfolgen. »Hat er euch den Namen des Siedlungsbewohners verraten, oder gesagt, warum er ihn zusammenschlagen lassen will?«
»Nein.«
Einen Augenblick lang war es auf dem Dach still, während Jin überlegte. Wenn Sibbio die Wahrheit sagte, dann musste dieser geheimnisvolle Anrufer mit der Unterwelt und deren Aktivitäten in Azras zumindest oberflächlich vertraut sein. Paradoxerweise jedoch musste sein Wissen gleichzeitig recht begrenzt sein, da er so offenkundig grüne Jungs wie die von Sibbio für seine Drecksarbeit angeheuert hatte.
Es sei denn, die kriminelle Unterwelt Azras’ war eben nicht besser organisiert. Sie nahm sich in Gedanken vor, Daulo danach zu befragen.
Wie auch immer, Sibbio war offensichtlich eine Sackgasse. »Dort drüben neben dem Schornstein liegt ein kleines Messer«,
sagte sie und zeigte hinüber, während sie aufstand. »Du kannst hinüberrollen oder dich sonstwie hinüberarbeiten und dich losschneiden. Deine Freunde sind noch in der Wohnung, in die ihr eingebrochen seid. Sammle sie ein, und dann verschwindet ihr allesamt aus Azras.«
Sibbio klappte das Kinn herunter. »Aus Azras verschwinden … aber wir sind hier zu Hause.«
»Das ist Pech«, sagte Jin und gab ihrer Stimme einen abgebrühten Unterton. »Denn für die nächsten paar Tage ist es auch mein Zuhause … und wenn ich dich noch einmal sehe, solange ich hier bin, Hebros Sibbio, dann wirst du dich vorzeitig auf diese Reise zu Gott machen, über
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