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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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der Unterschicht, und als solcher
war Jin gegenwärtig gekleidet, hätte sich niemals in die Nähe von jemandem in Nardins Stellung vorgewagt, was sich auch deutlich in den erschrockenen Mienen der Leute abzeichnete, die um Nardin herumstanden. Erst als sie ihn so gut wie erreicht hatte, löste sich sein Gefolge aus der Verblüffung und stellte sich ihr in den Weg. »Was fällt Ihnen eigentlich ein?«, fuhr einer von ihnen sie an.
    »Ich möchte Meister Radig Nardin sprechen«, antwortete sie ruhig. »Ich habe eine Nachricht für ihn.«
    Nardin drehte sich um und sah sie wütend an. »Seit wann dürf…?«
    Die Worte erstarben ihm auf den Lippen, als die Erkenntnis über sein Gesicht huschte, augenblicklich gefolgt vom Schreck. »Sie wollen – was?«
    »Ich bringe eine Nachricht für Ihren Vater, Meister Nardin«, unterbrach sie sein verwirrtes Stammeln und legte die Fingerspitzen an die Stirn. »Darf ich näher treten?«
    Nardin blickte seine Begleiter an und hatte alle Mühe, die Fassung zu bewahren. »Sie dürfen. Lasst sie durch«, befahl er.
    Sie spürte den Schock, der den anderen in die Glieder fuhr, als sie zwischen ihnen hindurchging – offenbar war ihnen bislang nicht aufgefallen, dass sie in Wirklichkeit eine Frau war. Kurz überlegte sie, ob Travestie auf Qasama ein Verbrechen war. »Ich bringe eine Nachricht für Ihren Vater von Kruin Sammon aus Milika«, erklärte sie ihm. »Würden Sie mich bitte zu ihm bringen?«
    Nardins Gesicht war unlesbar wie eine neutrale Maske. »Ich erinnere mich an Sie«, sagte er. »Sie waren in Milika in Begleitung von Kruin Sammons ältestem Sohn. Wer sind Sie, dass er Ihnen Nachrichten anvertraut?«
    »Mein Name ist Aysa Elghani, Meister Nardin.«
    »Und Ihr Verhältnis zur Familie Sammon?«
    »Das eines Profimediums«, sagte Jin, ihre Worte mit Bedacht wählend. Sie hatte keine Ahnung, ob es die Dienstleistung, die sie im Begriff stand zu beschreiben, auf Qasama überhaupt gab,
bei dem weit verbreiteten Gebrauch von Drogen auf Qasama war aber nicht einzusehen, warum nicht. »Ich bin ein Bote, den man, wie gesagt, zu Ihrem Vater Obolo Nardin schickt.«
    Nardin sah sie schief an, dann musterte er anzüglich ihre Kleidung. »Und was ist an Ihnen so besonders, dass man Ihnen Nachrichten von Wichtigkeit anvertraut? Mal davon abgesehen, dass wohl nur wenige Sie für so vertrauenswürdig halten?«
    Jin überhörte das Kichern der anderen. »Was mich so besonders macht«, erklärte sie Nardin, »ist der Umstand, dass ich eine mündliche Nachricht in mir trage … deren Inhalt ich nicht kenne.«
    Nardin kniff die Augen zusammen. »Erklären Sie das.«
    Jin setzte eine Miene kaum verhohlener Ungeduld auf. »Man hat mir die Nachricht aufgetragen, als ich mich in einem speziellen, durch Drogen hervorgerufenen Trancezustand befand«, sagte sie. »Nur in Gegenwart Ihres Vaters werde ich in der Lage sein, in diesen Trancezustand zurückzukehren und die Nachricht zu überbringen.«
    Er starrte sie eine ganze Weile an, und innerlich drückte sie sich selbst die Daumen. »Wie wichtig ist diese Nachricht?«, wollte er wissen. »Ist sie eilig?«
    »Diese Fragen kann ich Ihnen unmöglich beantworten«, sagte Jin.
    Einer der anderen Männer trat dicht an Nardin heran. »Mit Ihrer Erlaubnis, Meister Nardin«, murmelte er. »Darf ich darauf hinweisen, wie verdächtig der Zeitpunkt dieser angeblichen Nachricht ist?«
    Nardin blickte Jin noch immer an. »Vielleicht«, raunte er leise zurück. »Aber falls das ein Trick ist, gewinnt Sammon dadurch bestenfalls ein wenig Zeit.« Er nickte langsam. »Also gut. Ich werde Sie zu meinem Vater bringen.«
    Jin verneigte sich. »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Meister Nardin«, erwiderte sie.
    Er machte kehrt und steuerte auf das hintere Ende der Busreihe zu. Jin folgte ihm und spürte, wie sich ihnen ein zweiter
Mann anschloss. Hinter den Bussen stand ein Wagen geparkt. Der andere Mann glitt auf den Fahrersitz, als Nardin und Jin in den Fond einstiegen, und fast noch bevor sie die Tür geschlossen hatte, scherte der Wagen auf die Straße aus und fuhr in Richtung Osten davon.
    Jin atmete vorsichtig tief durch. Wieder einmal, so schien es, hatte die allgemeine Geringschätzung für Frauen sich zu ihrem Vorteil ausgewirkt. Vielleicht hätte Nardin die Geschichte mit der »privaten Nachricht« geschluckt, wenn sie von einem anderen Mann gekommen wäre, aber ganz gewiss hätte er keinen fremden Mann in seinen Wagen gelassen, ohne zusätzlichen Schutz

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