Cobra
Spinnen machen mir keine Angst. »Ich heiße Aysa Elghani, Meister«, sagte sie, machte das Zeichen des Respekts und betrachtete seine unnatürlich hellen Augen. Übermäßiger Gebrauch der Gedächtnisdrogen Qasamas? »Sind Sie Obolo Nardin?«
Das Gesicht des Mannes zeigte keine Regung. »Der bin ich«, sagte er. »Was haben Sie mir mitzuteilen?«
Jin atmete tief durch. Jetzt kam es darauf an. Er brauchte ihr die Nummer jetzt bloß noch abzukaufen … Sie ließ ihr Gesicht erschlaffen, als würde sie in Trance fallen, und senkte die Stimme um eine Oktave. »Hier spricht Kruin Sammon«, intonierte sie. »Ich weiß, was Sie hier in Mangus treiben, Obolo Nardin, und ich weiß, welches Risiko Sie dabei eingehen. Mit diesem Wissen kann ich Sie vernichten … aber ich kann Ihnen auch helfen. Sie benötigen die Rohstoffe, die ich besitze, und Sie benötigen die Siedlungen im Westen, die mir treu ergeben sind. Ich schlage daher ein Bündnis zwischen uns vor, bei Aufteilung des Gewinns zu gleichen Teilen. Ich erwarte Ihre Antwort.«
Behutsam stellte Jin ihre Augen wieder scharf. »Haben Sie die Nachricht vollständig erhalten, Meister Nardin?«, fragte sie wieder mit normaler Stimme.
Obolo Nardins Augen blieben unverändert auf ihr Gesicht geheftet. »Ja, das habe ich«, brummte er.
»Man hat mich bereits dafür bezahlt, Kruin Sammon eine Antwort zu überbringen, sollten Sie dies wünschen«, fuhr sie fort und hatte Mühe, Stimme und Gesicht gleichgültig wirken zu lassen. Ganz hinten in ihrem Kopf begannen Alarmglocken zu läuten. Irgendetwas hier war nicht in Ordnung … »In diesem Fall jedoch benötige ich ein wenig Vorbereitungszeit …«
Ohne jede Vorwarnung legte sich plötzlich ein roter Rand um die Szene vor ihr.
Ein Adrenalinstoß fuhr durch ihren Körper, als sie reflexartig den Atem anhielt. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: die lange Verzögerung im Umkleideraum, die peinlich genaue Prüfung, der Obolo Nardin sie unterzog, der Wind, der ihr ins Gesicht wehte … ein Wind, der zweifellos mit einer Schlafdroge angereichert war. Sie hatten überlegt, was sie mit ihr machen sollten, hatten entschieden, dass die Ausrede mit der Nachricht Unsinn war, und handelten jetzt dementsprechend.
Jin ballte die herabhängenden Hände zu Fäusten, bis die Nägel sich in die Haut ihrer Handflächen gruben, um die Wirkung der Droge abzuwehren. Möglicherweise schaffte sie es, Obolo mit ihrer Schallwaffe zu betäuben und hier rauszukommen … doch hinter den Vorhängen konnten weitere hundert Männer warten, und selbst jetzt konnte sie es sich noch nicht erlauben, ihre Identität preiszugeben. Andererseits konnte sie auch nicht ewig die Luft anhalten. Zudem hatte sie wahrscheinlich schon genug von diesem Zeug eingeatmet, um bewusstlos zu werden, bevor sie sehr weit kam. Und Obolo starrte sie noch immer an. Und wartete …
Wartete er darauf, dass sie zusammenbrach? Na schön, entschied sie sich plötzlich. »Ich … Meister Nardin …«, setzte sie unter Verwendung ihrer letzten Luftreserven an, als wäre sie im
Rausch, dann verdrehte sie die Augen nach oben und brach auf dem Fußboden zusammen.
Sie hatte darauf geachtet, ihren Kopf so zu legen, dass sie der schläfrig machende Wind von hinten traf, doch kaum hatten sich die durch ihren Aufprall hervorgerufenen Sternchen verflüchtigt, da wurde die betäubende Luftzufuhr ohnehin abgestellt. Schritte kamen hinter einem der Vorhänge hervor … blieben neben ihr stehen … »Das ging schnell«, hörte sie Radig Nardins Stimme. »Selbst für eine Frau.«
»Sie ist ein Weichling von einer anderen Welt«, erwiderte Obolo voller Verachtung. »Wenn unsere Feinde nichts Besseres aufbieten können, haben wir von ihnen wenig zu befürchten.«
Ein eiserner Dorn schien sich durch Jins Bauch nach oben zu bohren. Du lieber Himmel – sie wissen, wer ich bin! Aber woher?
»Schon möglich.« Eine Hand zerrte an Jins Schulter, rollte sie auf den Rücken. Sie hielt ihre Augen geschlossen, aktivierte ihre optischen Verstärker, programmierte sie auf Vergrößerung null und die kleinstmögliche Lichtverstärkung. Radig betrachtete einen Augenblick lang ihr Gesicht, dann richtete er sich auf und sah wieder seinen Vater an. »Ich werde ihren Körper auf versteckte Apparate prüfen lassen, bevor wir sie einsperren.«
»Ganz wie du willst, mein Sohn, aber ich bezweifle, dass das nötig ist.«
»Ihre Kleidung hat nichts hergegeben …«
»Vergiss nicht, ihr Raumschiff ist
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