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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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nach Purma«, riss Nardin sie aus ihren Gedanken. Erschrocken sah sie ihn an und bemerkte, dass er sie unverwandt anstarrte.
    »Verstehe, Meister Nardin«, sagte sie und dachte gerade noch rechtzeitig daran, ihm den gebührenden Respekt zu zollen. »Darf ich fragen, wer diese Leute sind?«
    Die Falten auf seiner Stirn wurden noch ein wenig tiefer. »Die Arbeiter von letzter Woche. Auf dem Weg nach Hause.«
    Jin zögerte. Möglicherweise war ein weiteres Nachfragen auf Qasama ungehörig … andererseits hatte sie sich ohnehin bereits als Sonderling ausgewiesen. »Beschäftigen Sie häufig Leute aus Purma?«
    »Etwa jede zweite Woche«, sagte er. »Abwechselnd mit den Leuten aus Azras.«
    »Verstehe.« Jin lehnte sich vorsichtig zurück und betrachtete weiter die Mauer und die Kuppel vor ihnen. Mangus hatte letztlich also doch genug Arbeit für eine komplette Belegschaft. Warum stellten sie dann nicht einfach Arbeiter fest ein, statt sich jede Woche diese Mühe zu machen?
    Jetzt hatten sie die Reihe der Pylonen hinter sich, und als sie sich dem Ende der Straße näherten, schwenkte ein Tor in der Mauer auf. Das einzige Tor auf dieser Seite des Geländes, wie ihr auffiel, und zudem ähnlich konstruiert wie die Tür eines Banktresors. Bestimmt bololinsicher.
    Ein halbes Dutzend Gebäude war zu erkennen, als der Wagen auf das eigentliche Gelände fuhr: eine Art Bürogebäude direkt vor ihnen, dahinter eine Art Wohngebäude, eine Wachstation und eine Garage. Die Straße führte mitten durch sie hindurch.
Doch Jin bekam das alles nur am Rande mit. Ihre Aufmerksamkeit wurde von der schwarzen Mauer auf sich gezogen, die sich zu ihrer Rechten erhob.
    Sie verlief, soweit Jin das beurteilen konnte, zwischen zwei der Ecken des rautenförmigen Gebildes und zerschnitt Mangus in zwei mehr oder weniger gleichseitige Dreiecke. Ein einziges Tor war in der Mitte eingelassen, ein Tor, das ebenso stabil aussah wie jenes, das sie gerade passiert hatten. War dies der einzige Zugang in diesen Teil?, fragte sie sich und musste daran denken, dass es im westlichen Teil der Außenmauer von Mangus auch noch ein Tor gegeben hatte.
    Wenn, dann deutete das darauf hin, dass Mangus’ dunkle Geheimnisse zwei unterschiedliche Schattierungen aufwiesen. Wenn jetzt nur Radigs Vater Obolo Nardin sein Büro hinter dieser inneren Mauer unterhielt …
    Doch so einfach war es nicht, wie sich herausstellte. »Zum Verwaltungszentrum, Meister Nardin?«, fragte der Fahrer über seine Schulter.
    »Ja«, sagte Radig und sah Jin an. »Man wird Ihnen …«, er senkte kurz den Blick, »… passendere Kleidung geben, bevor man Sie zu meinem Vater bringt.«
    »Danke, Meister Nardin«, sagte Jin und nickte ernst. Sie beugte sich ein Stück zum Fenster vor und sah, dass sich ein weiterer schwarzer Pylon über dem oberen Rand der inneren Mauer erhob und bis zur Mitte des Spanndachs reichte. Eindeutig die Hauptstütze der Bedachung, von der aus etwa mittelstarke Querträger bis zu den Pylonen draußen reichten. Einfach, aber wirkungsvoll. »Ich nehme an, Sie werden mir eine Fahrgelegenheit zurück nach Azras besorgen, sobald ich meine Nachricht übermittelt habe«, fügte sie an Nardin gewandt hinzu.
    Er sah sie schief von der Seite an. »Das kommt möglicherweise ganz darauf an«, sagte er kühl, »was Ihre Nachricht besagt.«
     
    Man ließ sie lange warten, viel länger als sie brauchte, die Kleidungsstücke anzuziehen, die man ihr gegeben hatte. So lange,
dass sie sich zu fragen begann, ob sie heimlich überwacht wurde, und wenn ja, ob sie als vielbeschäftigter Profi nicht allmählich gereizt aussehen sollte, weil man ihre Zeit vergeudete. Aber schließlich kam jemand, und man führte sie durch eine Reihe von Gängen zu Obolo Nardins Thronsaal.
    Anders ließ sich dieser Raum nicht beschreiben. Größer und weit kunstvoller gearbeitet als das Arbeitszimmer von Kruin Sammon – selbst größer noch als das Büro des Großstadtbürgermeisters, von dem sie Vids gesehen hatte -, zielte seine Architektur eindeutig darauf ab, jeden einzuschüchtern, der ihn betrat. Ein leichter Wind wehte ihr ständig ins Gesicht, als sie durch den Irrgarten aus Vorhängen in seine Mitte geführt wurde. Vor ihrem inneren Auge erschien kurz das Bild einer Spinne, die in der Mitte ihres Netzes lauert …
    »Wie heißen Sie?«, knurrte sie der Mann auf seinem Polsterthron an.
    Nur mit Mühe verscheuchte Jin das Bild von der Spinne aus ihren Gedanken. Ich bin Cobra, rief sie sich in Erinnerung.

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