Cocaine oder die Lust zur Hingabe
Kokainschmuggels zu tun, als mit ihrer privaten Umgebung. Bisher haben wir dort noch niemanden gefunden, der ein Interesse an ihrem Tod gehabt hätte.", meinte Joe, als Aidan sich wieder zu ihm setzte.
„Noch nicht. Vielleicht war es Eifersucht.", entgegnete Aidan, obwohl auch ihm sein Bauchgefühl sagte, dass die Spur mit dem Kokain heißer war. Arlena schlief herum, und vielleicht hatte sie dabei zu viel mitbekommen. Man neigte dazu, im Bett Dinge auszuplaudern, die man sonst nie auch nur erwähnt hätte. Vielleicht hat irgendwer sein loses Mundwerk am nächsten Morgen bereut.
„Ich hab Marc und John jedenfalls auf die Dealer angesetzt, die Leeland mir aufgeschrieben hat."
Jetzt hieß es also nicht mehr ,uns’ dachte Aidan verbittert und hielt dagegen: „Dann sollten wir uns jetzt den Toten von heute Nacht anschauen.", sagte er schroff und stand auf.
***
Als sie die Treppe hinunter zur Pathologie betraten, wehte ihnen ein Schwall eisiger Luft entgegen. Die Klimaanlage lief hier ständig auf Hochtouren. Doch der Geruch war unverkennbar. Aidan hatte sich innerlich darauf vorbereitet. Trotzdem stieg die übliche Übelkeit in ihm hoch, die er wohl nie ganz los wurde, so oft er dies hier auch über sich ergehen lassen musste. Der Raum unten war groß und eiskalt. Blitzblanke, krankenhausgrüne Kacheln nicht nur an den Wänden, sondern auch an der Decke verwandelten das Licht in ein grünes Schimmern, das Aidan an seine Tauchgänge in die Unterwasserwelt vor San Francisco denken ließ. Frank Carmichael stand hinter einem der Stahltische mit Abflüssen für Wasser und Gewebsflüssigkeiten. Über ihm hing ein Mikrofon von der Decke, in das er mit leiser Stimme von Zeit zu Zeit seine Befunde sprach. Groß und dürr wirkte er in
seinem fließenden grünen Kittel wie ein von den Wellen bewegtes Büschel Blatt- algen wie er sich da für eine erste Bestandsaufnahme über dem bleichen nackten Leichnam hin und herbog. In diesem Raum war die Leiche das einzig Reale. Sie lag unter einer starken Untersuchungslampe schonungslos ausgeleuchtet wie unter einem Theaterspot.
Als sie hereinkamen, sah Carmichael auf. Er war beinahe ebenso blass wie seine Leichen, was die grüne Haube auf seinem Kopf noch unterstrich. Nur seine beweglichen Hände mit den langen, dünnen Fingern und seine schwarzen Augen wirkten flink und lebhaft und zeugten von überdurchschnittlicher Intelligenz. Er winkte sie zu sich. „Hey Joe, wie war die Nacht? Siehst echt scheiße aus."
„Oh, Mann, frag nicht."
„Kommst du wegen meines neuesten Kunden?"
„Ist das der Mann von heute Nacht mit dem Kopfschuss? Ach, übrigens, Frank, das ist Special Agent Aidan Robineaux."
Der Gerichtsmediziner nickte und warf Aidan einen kurzen prüfenden Blick zu. „Freut mich, Aidan, wir nennen uns hier alle beim Vornamen, wenn Sie nichts dagegen haben. Im Angesicht des Todes reduziert sich alles auf das Wesentliche." Carmichael grinste und Aidan erwiderte sein Lächeln.
„Hab ich nicht."
Frank war ihm sofort sympathisch. Er schien nicht einer von diesen Typen zu sein, die sich mit der Zeit eine so gleichgültige Haltung zum Tod zulegten, dass sie selbst ihren Kaffee in dieser Leichenhalle mit Genuss zu sich nehmen konnten. Natürlich musste man sich aus reinem Selbstschutz eine dicke Haut anschaffen, damit man sich nicht jeden Abend betrinken musste, um schlafen zu können, aber an die butterbrotkauenden Gerichtsmediziner in diversen Fernsehkrimis glaubte Aidan nicht. Eine Kaffeetasse hatte er schon gesehen, ein Brot noch nie, und er hatte einige von diesen manchmal wirklich ziemlich kauzigen Typen
kennengelernt.
„Darf ich mir Ihren Klienten mal anschauen?" Er ging um den Tisch herum, um sich das Gesicht genauer anzusehen. Es war fahl wie schmutziggraues Wachs. Das blauviolette kleine Loch mit den schwarzen Rändern in seiner Stirn genau zwischen seinen Augen bildete den einzigen Farbtupfer. Aber die große, knollig verformte Nase und die Oberlippe mit dem Schnitt in der Nähe des Mundwinkels, der ihn selbst im Tode noch gespenstisch Lächeln ließ, waren unverkennbar. Aidan wandte sich schaudernd von ihm ab und nickte Frank zu. „Ich kenne ihn. Ist einer von Don Micheles Leuten. Heißt Gino Perrone."
„Also sind die Jungs doch mit von der Partie.", sagte Joe.
„Wenn sie es vorher nicht waren, jetzt sind sie es bestimmt. Das lassen sie nicht auf sich sitzen. Wird ein kleines Schlachtfest werden in nächster Zeit." Aidan war besorgt. „Wir können nur
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