Cocktails fuer drei
sogar selbst auf die Probe gestellt, indem sie gezielt an Heather dachte und – inmitten all der Wut und Scham – auf die Nadelstiche der Schuld wartete. Es war eine automatische Reaktion, an die sie sich im Laufe der Jahre gewöhnt hatte. Doch heute Morgen war da nichts gewesen. Sie spürte nichts dergleichen.
Still und leise hatte sie dagelegen und über ihre Verwandlung gestaunt. Jetzt war sie in der Lage, Heather mit klarem Blick zu sehen, und konnte die ganze Beziehung zu ihr auf ganz neue Weise betrachten. Sie war Heather nichts schuldig gewesen. Rein gar nichts. Als sich Ed neben ihr im Bett rührte, hatte Candice bereits einen Plan gefasst.
»Morgen«, murmelte er verschlafen und beugte sich herüber, um sie zu küssen.
»Ich will meinen Job zurück«, antwortete sie mit starrem Blick zur Decke. »Ich warte diese Anhörung nicht ab. Ich will meinen Job zurück, Ed.«
»Sehr gut«, sagte er und küsste ihr Ohr. »Los, geh und hol ihn dir.«
Fast wortlos hatten sie gefrühstückt und ihre Sachen gepackt, als wollten sie die Aufbruchsstimmung – die Konzentration – nicht schwächen. Auf dem Weg nach London hatte Candice angespannt dagesessen, sich an der Tür festgehalten und geradeaus gestarrt. Ed hatte sie nach Hause gebracht und gewartet, während sie sich in Schale warf, und sie dann hierhergefahren. Irgendwie hatte sie es fertiggebracht, selbstbewusst ins Foyer zu marschieren und nach Justin zu fragen. Irgendwie war sie so weit gekommen.
Doch als sie hier nun auf dem marmornen Fußboden stand und Doreens neugierigen Blicken auswich, löste sich ihr Selbstvertrauen in Wohlgefallen auf. Was genau wollte sie zu Justin sagen? Wie wollte sie ihn umstimmen? Plötzlich fühlte sie sich verletzlich hinter ihrer Fassade, als könnte die leiseste Konfrontation sie zusammenbrechen lassen. Die Klarheit, die sie am Morgen empfunden hatte, war vernebelt. Sie fühlte sich nur noch erniedrigt.
Was war, wenn Justin sie nicht anhören wollte? Was war, wenn er sie einfach vor die Tür setzen ließ? Was war, wenn er sie wieder als Diebin beschimpfte? Sie hatte sich gut überlegt, was sie sagen wollte, hatte sich alles zurechtgelegt, doch jetzt klang ihre Geschichte selbst für ihre Ohren nicht mehr überzeugend. Justin würde ihre Erklärung einfach abtun und ihr sagen, sie solle verschwinden. Candice spürte, dass ihre Wangen brannten, und sie schluckte trocken.
»Ja«, sagte Doreen, als sie aufblickte. »Es ist so, wie ich es mir gedacht habe. Justin ist momentan in einer Besprechung.«
»Oh«, sagte Candice mit bebender Stimme. »Verstehe.«
»Aber man bittet dich, hier zu warten«, sagte Doreen kühl. »Es kommt gleich jemand herunter.«
»Wieso … wozu?«, sagte Candice, doch Doreen zog nur die Augenbrauen hoch.
Candice merkte, dass ihr Herz vor Angst raste. Vielleicht wollte man sie anzeigen. Vielleicht wollten sie die Polizei holen. Was hatte Justin denen denn erzählt? Ihre Wangen glühten, ihr Atem ging flach und schnell. Sie hätte nicht herkommen sollen, dachte sie panisch. Sie hätte gar nicht erst herkommen sollen.
Hinten im Foyer erklang ein kleines Glöckchen, als der Fahrstuhl im Erdgeschoss ankam. Candice spürte, wie sich ihr der Magen umdrehen wollte. Sie holte tief Luft, machte sich auf das Schlimmste gefasst. Dann gingen die Fahrstuhltüren auf, und ihr Gesicht wurde ganz starr vor Schreck. Das konnte doch nicht sein. Sie blinzelte mehrmals, ihr wurde schwindlig, und sie fragte sich, ob sie Halluzinationen hatte. Da – direkt vor ihr – kam Maggie aus dem Lift, mit kummervollem Blick. Und gleich dahinter Roxanne, mit versteinerter Miene, fast streng vor Sorge.
Sie blieben stehen, als sie Candice entdeckten, und einen Moment lang herrschte angespanntes Schweigen, als die drei einander ansahen.
»Ihr seid es«, flüsterte Candice schließlich.
»Wir sind es«, sagte Roxanne nickend. »Richtig, Maggie?«
Verschüchtert starrte Candice in die Gesichter ihrer Freundinnen, die einfach nicht lächeln wollten. Sie hatten ihr nicht verziehen. Sie würden ihr nie verzeihen.
»Ich … Oh Gott. Es tut mir so leid.« Tränen liefen über ihr Gesicht. »Es tut mir so leid. Ich hätte auf euch hören sollen. Ich lag falsch, und ihr hattet recht. Heather war …« Sie schluckte. »Heather war eine …«
»Schon gut«, sagte Maggie. »Es ist alles okay, Candice. Heather ist weg.«
»Und wir sind wieder da«, sagte Roxanne und kam mit glänzenden Augen auf Candice zu. »Wir sind wieder
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