Cocktails fuer drei
starrte die Wand an und blinzelte ein paarmal hektisch. Seinen Namen unerwartet aus dem Mund anderer zu hören überraschte sie noch immer, ließ sie noch immer beben.
»Dürfte ich Sie vielleicht bitten, mich in meinem Büro aufzusuchen?«, sagte der Mann, und Roxanne kam wieder zu sich. Ralph Allsopp. Der Nachlass von Ralph Allsopp.
»Oh, mein Gott«, sagte sie, und die Tränen liefen ihr nur so übers Gesicht. »Er ist tot und hat mir was hinterlassen, stimmt’s? Der dumme, sentimentale Mistkerl. Und Sie sollen es mir geben.«
»Wenn wir vielleicht einen Termin vereinbaren könnten …«
»Ist es seine Uhr? Oder seine alte Schreibmaschine?« Unwillkürlich musste Roxanne lachen. »Diese verdammte alte Remington.«
»Wollen wir sagen: Donnerstag um sechzehn Uhr dreißig?«, sagte der Anwalt, und Roxanne atmete scharf aus.
»Hören Sie«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob Sie sich der Tatsache bewusst sind, aber Ralph und ich waren nicht gerade …« Sie stutzte. »Ich würde lieber gar nicht erst in Erscheinung treten. Können Sie es mir nicht einfach schicken? Ich übernehme auch das Porto.«
Einen Moment lang blieb es still in der Leitung, dann sagte der Anwalt etwas energischer: »Sechzehn Uhr dreißig. Ich erwarte Sie.«
Candice merkte, dass ihre Schritte sie instinktiv nach Hause führten. Als sie in ihre Straße einbog, sah sie ein wartendes Taxi vor ihrer Tür und blieb stehen. Sie starrte den Wagen an, ihre Gedanken im Leerlauf, dann tauchte plötzlich Heather in der Haustür auf. Sie trug Jeans und einen Mantel und hielt einen Koffer in der Hand. Ihre blonden Haare federten wie immer, und ihre Augen waren groß und unschuldig – und als Candice sie so sah, wusste sie überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte.
Wollte sie tatsächlich Heather – dieses fröhliche, warmherzige Mädchen – beschuldigen, ihr absichtlich etwas angehängt zu haben? Die Logik der Beweise ließ ihr nur diesen einen Schluss zu. Doch als sie sah, wie freundlich sich Heather mit dem Taxifahrer unterhielt, sträubte sich etwas in ihr. Konnte es nicht doch eine andere plausible Erklärung geben?, dachte sie verzweifelt. Irgendetwas, von dem sie nichts ahnte?
Während sie so dastand, drehte sich Heather um, als spürte sie ihren Blick, und wirkte überrascht. Ein paar Augenblicke lang sahen sich die beiden schweigend an. Heather musterte Candice, den Müllbeutel, die aufgewühlte Miene, die verheulten Augen.
»Heather.« Candice klang heiser. »Heather, ich muss mit dir reden.«
»Ach ja?«, sagte Heather ganz ruhig.
»Ich wurde gerade …« Sie brachte die Worte kaum hervor. »Ich wurde gerade von meiner Arbeit suspendiert.«
»Tatsächlich?«, sagte Heather. »Wie schade.« Sie lächelte Candice an, dann wandte sie sich um und stieg ins Taxi.
Candice spürte, wie ihr Herz bis zum Hals schlug.
»Nein«, sagte sie. »Nein.« Keuchend, mit baumelndem Müllbeutel, rannte sie den Bürgersteig entlang. »Heather, ich … ich verstehe das nicht.« Sie erreichte das Taxi, als Heather eben die Tür schließen wollte, und hielt sie fest.
»Lass los!«, fuhr Heather sie an.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Candice atemlos. »Ich dachte, du bist meine Freundin.«
»Dachtest du, hm?«, sagte Heather. »Das ist komisch. Mein Vater dachte auch, dein Vater wäre sein Freund.«
Candice blieb das Herz stehen. Sie starrte Heather an und spürte, wie ihr Gesicht ganz heiß wurde. Beinah ließ sie die Tür los, und sie leckte ihre Lippen.
»Wann … wann hast du es herausgefunden?« Ihre Stimme klang erstickt. Es war, als blockierte Watte ihre Atemwege.
»Ich musste es nicht rausfinden«, fauchte Heather. »Ich wusste die ganze Zeit, wer du bist. Schon als ich dich in der Bar gesehen habe.« Ihre Stimme wurde schneidender. »Meine ganze Familie weiß, wer du bist, Candice Brewin.«
Sprachlos starrte Candice sie an. Ihre Beine zitterten. Ihr wurde ganz schwindlig vom Schock.
»Jetzt weißt du wenigstens, wie ich mich gefühlt habe«, sagte Heather. »Jetzt weißt du, wie es für mich war. Wenn einem alles weggenommen wird, ohne Vorwarnung.« Sie lächelte zufrieden und betrachtete Candice’ zerzauste Erscheinung. »Und … gefällt es dir? Findest du, es macht Spaß, wenn man über Nacht alles verliert?«
»Ich habe dir vertraut«, sagte Candice benommen. »Du warst meine Freundin.«
»Und ich war vierzehn Jahre alt!«, bellte Heather plötzlich wütend. »Wir haben alles verloren. Mein Gott, Candice! Hast du wirklich
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