Cocktails fuer drei
Candice wischte sich die Augen. »Das … das ist eine lange Geschichte.«
»Und du hattest keine Ahnung.«
»Ich dachte, sie mochte mich. Ich dachte, wir wären richtig gute Freundinnen. Sie hat mir erzählt, was ich hören wollte, und ich …« Wieder wallte eine Woge der Scham in Candice auf. »Und ich bin darauf reingefallen.«
»Komm schon, Candice«, sagte Ed. »Du darfst dir nicht allein die Schuld geben. Sie hat allen etwas vorgespielt. Aber eins muss man ihr lassen: Sie war überzeugend.«
»Dir konnte sie nichts vormachen, oder?«, erwiderte Candice mit tränenüberströmten Wangen. »Du hast mir gleich gesagt, dass sie einen Knall hat.«
»Ich fand sie ein bisschen seltsam«, sagte Ed achselzuckend. »Mir war aber nicht klar, dass sie total durchgeknallt ist.«
Beide schwiegen. Candice wandte sich vom Kaminsims ab und tat ein paar Schritte zum Sofa. Doch als sie dort ankam, blieb sie stehen, ohne sich hinzusetzen. Das Sofa war nicht mehr so verlockend. Es kam ihr vor, als gehörte es ihr nicht. Plötzlich gefiel ihr die ganze Wohnung nicht mehr.
»Sie muss es von Anfang an geplant haben«, sagte sie und zupfte abwesend am Bezug des Sofas herum. »Von dem Moment an, als sie mit Blumen in der Hand durch die Tür kam. Und so getan hat, als wäre sie mir dankbar.« Candice schloss die Augen, spürte einen scharfen Schmerz. »Immer so nett und dankbar. Immer so …« Sie schluckte schwer. »Abends haben wir zusammen auf dem Sofa vor dem Fernseher gesessen. Wir haben uns gegenseitig die Nägel lackiert. Ich dachte, was sie doch für eine tolle Freundin ist. Ich dachte, ich hätte eine Seelenverwandte gefunden. Und was hat Heather gedacht?« Candice schlug die Augen auf und sah Ed an. »Was hat sie eigentlich gedacht?«
»Candice …«
»Sie hat dagesessen und mich gehasst, oder? Sie hat überlegt, wie sie mir wehtun konnte.« Die Tränen liefen nur so über ihre Wangen. »Wie konnte ich dermaßen blöd sein? Ich habe die ganze Scheißarbeit für sie gemacht, sie hat mir nie einen Penny Miete bezahlt … und trotzdem habe ich immer gedacht, ich stehe in ihrer Schuld! Immer habe ich ihretwegen ein schlechtes Gewissen gehabt. Ein schlechtes Gewissen!« Candice wischte sich die laufende Nase. »Weißt du, was sie denen bei der Arbeit erzählt hat? Sie hat gesagt, ich würde sie schikanieren.«
»Und die haben ihr geglaubt?«, fragte Ed fassungslos.
»Justin hat ihr geglaubt.«
»Na«, sagte Ed. »Das passt.«
»Ich habe versucht, es ihm zu erklären«, sagte Candice, und ihre Stimme wurde lauter. »Ich habe versucht, es ihm begreiflich zu machen. Aber er wollte mir nicht glauben. Er hat mich nur angesehen wie eine … Kriminelle.«
Sie schüttelte sich und schwieg. Draußen hörte man in weiter Ferne Sirenengeheul, als äffte es Candice nach, dann wurde daraus ein Hupen, das bald darauf verklang.
»Du brauchst einen ordentlichen Drink«, sagte Ed schließlich. »Hast du was Trinkbares zu Hause?«
»Einen Rest Weißwein«, sagte Candice nach einiger Überlegung. »Im Kühlschrank.«
»Weißwein? Was habt ihr Frauen bloß immer mit Weißwein?« Ed schüttelte den Kopf. »Warte hier. Ich besorg dir was Vernünftiges.«
Roxanne trank von ihrem Cappuccino und starrte teilnahmslos eine Gruppe verirrter Touristen draußen vor dem Café an. Sie hatte sich vorgenommen, heute wieder loszulegen. Schließlich hatte sie – alles in allem – einen ganzen Monat freigehabt. Langsam wurde es Zeit, wieder ans Telefon zu gehen, ein bisschen zu arbeiten, ihr früheres Leben wieder aufzunehmen.
Doch stattdessen saß sie hier, in einem Café in Covent Garden, und trank ihren vierten Cappuccino, ließ den Morgen an sich vorübertreiben. Sie war nicht in der Lage, sich auf etwas Konstruktives zu konzentrieren, sich vorzumachen, dass sie wieder ihr normales Leben leben würde. Die Trauer war wie ein grauer Nebel, der jede Bewegung, jeden Gedanken durchdrang, der einfach alles sinnlos machte. Wozu noch Artikel schreiben? Wozu sich die Mühe machen? Es kam ihr vor, als hätte alles, was sie in den letzten paar Jahren getan hatte, mit Ralph zu tun gehabt. Ihre Artikel sollten ihn amüsieren, ihre Reisen sollten Anekdoten bieten, die ihn zum Lachen brachten. Ihre Kleider hatte sie gekauft, um ihm zu gefallen. Das war ihr damals natürlich gar nicht bewusst gewesen. Sie hatte sich stets für absolut und vollkommen unabhängig gehalten. Aber jetzt war er nicht mehr da – und ihr Leben schien seinen Sinn verloren zu
Weitere Kostenlose Bücher