Cocktails fuer drei
ich glaube … ich glaube, Heather hat diese Formulare ausgefüllt.«
»Ach wirklich?« Justin lachte. »Na, das ist ja eine Überraschung.«
»Nein.« Candice schluckte. »Nein, Justin, wirklich. Du musst mich anhören …«
»Candice, vergiss es«, sagte Justin ungeduldig. »Du bist suspendiert.«
»Was?« Candice wurde totenblass vor Schreck.
»Der Verlag wird eine interne Untersuchung anstellen, und zu gegebenem Zeitpunkt wird es eine Disziplinaranhörung geben«, sagte Justin barsch, als würde er den Satz ablesen. »Bis dahin, bis die Sache geklärt ist, wirst du bei vollem Lohn zu Hause bleiben.«
»Das … das kann nicht dein Ernst sein.«
»Ich würde sagen, du hast Glück, dass du nicht auf der Stelle gefeuert wirst. Candice, was du getan hast, war Betrug«, sagte Justin und hob sein Kinn ein wenig. »Hätte ich keine stichprobenartigen Überprüfungen des Spesensystems eingerichtet, wäre es vielleicht gar nicht aufgefallen. Ich hatte heute Morgen eine kleine Unterredung mit Charles, und wir sind beide der Ansicht, dass man gegen den Missbrauch streng vorgehen sollte. Wir werden diesen Vorfall nutzen, um …«
»Charles Allsopp.« Plötzlich begriff Candice. »Oh, mein Gott«, sagte sie leise. »Du machst das alles nur, um Charles Allsopp zu beeindrucken, stimmt’s?«
»Mach dich nicht lächerlich«, sagte Justin böse und lief rot an. »Es ist eine Verlagsentscheidung.«
»Du tust mir das tatsächlich an.« Tränen ungläubigen Zorns brannten in Candice’ Augen. »Du behandelst mich wie eine Kriminelle, nachdem … nach allem. Ich meine, wir haben sechs Monate zusammengelebt, oder nicht? Zählt das denn überhaupt nichts?«
Bei diesen Worten riss Justin den Kopf hoch und sah sie beinah triumphierend an.
Er hat nur darauf gewartet, dass ich das sage, dachte Candice erschrocken. Er hat nur darauf gewartet, dass ich zu Kreuze krieche.
»Du meinst also, ich sollte für dich eine Ausnahme machen, weil wir früher mal zusammen waren«, sagte Justin. »Du meinst, ich könnte dir ruhig einen kleinen Gefallen tun und ein Auge zukneifen. Meinst du das?«
Candice starrte ihn an, fühlte sich elend.
»Nein«, sagte sie, so ruhig sie konnte. »Natürlich nicht.« Sie machte eine Pause. »Aber du könntest … mir vertrauen.«
Es war ganz still, als die beiden einander anstarrten, und einen Moment lang glaubte Candice, sie sähe den alten Justin wieder, der sie betrachtete – den Justin, der ihr geglaubt hätte, sie möglicherweise sogar verteidigt hätte. Dann, als käme er zu sich, griff er in seine Schreibtischschublade.
»Was mich angeht«, sagte er eisig, »so hast du mein Vertrauen missbraucht. Und das aller anderen auch. Hier.« Er blickte auf und hielt ihr einen schwarzen Müllbeutel hin. »Pack deine Sachen und geh.«
Eine halbe Stunde später stand Candice draußen vor den Glastüren auf dem Bürgersteig, mit ihrem Müllbeutel in der Hand, und wich den neugierigen Blicken der Passanten aus. Es war zehn Uhr morgens. Für die meisten Menschen fing der Tag gerade erst an. Alle hasteten in die Büros, alle mussten irgendwohin. Candice schluckte und tat noch einen Schritt, versuchte, den Eindruck zu vermitteln, als stünde sie aus einem bestimmten Grund mit einem Müllbeutel in der Hand mitten auf dem Bürgersteig. Da sie merkte, wie die gleichmütige Miene ihr entglitt, wie die Gefühle aus ihr hervorzubrechen drohten. Noch nie im Leben hatte sie sich so verletzlich gefühlt, so entsetzlich allein.
Als sie wieder ins Redaktionsbüro gekommen war, hatte sie zumindest ein Mindestmaß an Würde gewahrt. Sie hatte es geschafft, hoch erhobenen Hauptes zu gehen, und vor allem hatte sie sich geweigert, den Eindruck zu vermitteln, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. Es war ihr nicht leicht gefallen. Offensichtlich wussten alle, was passiert war. Sie merkte, dass man sie ansah und sich dann schnell wieder abwandte, neugierige Mienen, erleichtert, dass es nicht sie betraf. Da nun ein neues Mitglied der Familie Allsopp an der Spitze des Verlages stand, blickten alle in eine unsichere Zukunft. Einmal hatte sie Alicias Blick aufgefangen und ein kurzes Aufblitzen von Mitgefühl gesehen, bevor auch Alicia sich abwandte. Candice konnte ihr keinen Vorwurf machen. Keiner konnte es sich leisten, etwas zu riskieren.
Mit zitternden Fingern hatte sie angewidert den Müllbeutel aufgeschüttelt, angeekelt vom glitschigen Plastik. Noch nie war sie sich so schäbig vorgekommen, so erniedrigt. Die gesamte
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